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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock
Autoren: Enrique Cortés
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bezüglich   …
     
    »Ich fasse es einfach nicht«, rief Carlos. Dann schaltete er den Fernseher aus. Isabel strich ihm übers Haar, und er lächelte
     ihr zu.
    »So wild ist das auch wieder nicht«, sagte Zac, der am Fenster stand.
    Über Nacht, die Zac bei Márquez zugebracht hatte, waren seine Wunden auf geradezu wundersame Weise verheilt. Als Márquez die
     Nachricht erhielt, dass Carlos aus dem Koma erwacht sei, sah man an Zac kaum noch ein paar Kratzer. Márquez lieh ihm ein paar
     frische Klamotten, und nachdem sie bei Isabel vorbeigefahren waren, damit sie und Teo sich ebenfalls umziehen konnten, machten
     sich alle zusammen auf den Weg ins Krankenhaus.
    Carlos hatte gegen sechs Uhr morgens die Augen aufgeschlagen, etwa zur selben Zeit, als die Feuerwehr die letzten Brandherde
     unter Kontrolle bekam. Die Fassade hatte an mehreren Stellen nachgegeben, aber die Betonstruktur des Hochhauses hielt noch
     stand.
    »Und was werden sie jetzt machen?«, fragte Carlos.
    Isabel konnte kaum glauben, dass er mit ihnen sprach. SeinBlinzeln, der sanfte Schwung seiner Wangen, der sich beim Lächeln veränderte, seine vor Erstaunen hochgezogenen Brauen, jede
     Bewegung, jede Geste kam einem Wunder gleich. Ihr Bruder hatte als Erster das Zimmer betreten. Er hatte sich auf Carlos gestürzt
     und ihn überschwänglich umarmt.
    »Was sie machen werden? Na, man wird eine Untersuchung einleiten müssen, Beweise sammeln und so weiter«, antwortete Márquez.
    »Könnte es Brandstiftung gewesen sein?«
    Keiner antwortete. Sie sahen sich nicht einmal an. Isabel wechselte schnell das Thema. Die Ärzte hatten gesagt, Carlos könne
     bald aus dem Krankenhaus entlassen werden. Nach kurzer Rehabilitation würde er völlig wiederhergestellt sein.
    Die vier hatten sich entschieden, vorerst niemandem davon zu erzählen, was eigentlich passiert war. Kein normaler Mensch würde
     ihnen glauben. Und Carlos sollte nach und nach davon erfahren.
    »Leute, wenn ich meinen Job im ›Lennon‹ behalten will, sollte ich mal nach meiner Frau schauen«, sagte Zac dann.
    Auch Márquez wollte aufbrechen. Ihn hatte auf einmal eine unbändige Lust überkommen, seine Tochter zu besuchen.
    »Ich glaube, die beiden werden noch dicke Freunde«, sagte Isabel, als Zac und Márquez gegangen waren. Carlos’ Züge verfinsterten
     sich, sein Gesicht wurde hart.
    »Weißt du etwas von den anderen? Alberto, Vera   …«
    Isabel schüttelte den Kopf. Sie brachte kein Nein über die Lippen. Sie wollte den Menschen, den sie so sehr vermisst hatte,
     nicht belügen.
    »Aber du hast mir doch erzählt, dass Vera zwei Töchter hat.«
    »Ja«, antwortete Isabel. »Den Mädchen geht es gut. Cassandra – das ist noch eine Kollegin – wird sich um sie kümmern. Anscheinend
     hat Vera verfügt, dass Cass die Kinder adpotieren soll, falls ihr etwas zustößt. Sie wird bestens für die Kleinen sorgen.«
    »Die Mutter wird ihnen fehlen   …«
    Carlos sah Isabel in die Augen.
    »Du hast mir auch sehr gefehlt«, wagte Isabel zu erwidern.
    Carlos spürte Isabels Atem auf seinen Lippen und konnte nicht anders, als sich ihr hinzugeben. Keiner der beiden hätte zu
     sagen gewusst, wie lange der Kuss andauerte. Als sie sich voneinander lösten, musterte Teo sie mit gerunzelter Stirn. Dann
     deutete er mit dem Zeigefinger auf einen Reiseprospekt, den er in der Hand hielt.
    »Werd du mal lieber schnell gesund, hier gibt’s nämlich ein Angebot ›Kairo für drei Personen‹, und das lasse ich mir nicht
     entgehen!«
    Die drei lachten, mit ihren Gedanken schon ganz in der Zukunft.
     
    Der Mann öffnete die Augen und sah durch einen Riss in der Decke den blauen offenen Morgenhimmel. Er zwinkerte den winzigen
     Wolkenfetzen zu, die Tausende von Kilometern über ihm dahintrieben. Dann stand er auf. Ein Blick durch eine Öffnung in der
     Wand zeigte ihm, dass er sich im Erdgeschoss befand. Neben ihm lagen die Überreste mehrerer Drehkreuze. Ein langes gelbes
     Absperrband und eine Reihe von Streifenwagen und Feuerwehrfahrzeugen ließen keinen Zweifel daran, dass der Turm hermetisch
     abgeriegelt worden war. Wie mochte er hierhergekommen sein? Er kramte in den Hemdtaschen nach seiner Lieblingspfeife, aber
     die hatte er wohl verloren. Da fiel ihm etwas auf. Seine Kleidung war unversehrt, sogar das Hemd war wieder blütenweiß. Auch
     die Schuhe wiesen keinerlei Rußspuren auf. Auch sie waren also inzwischen unverwüstlich. Hugo lächelte.
    »He, Sie! Was machen Sie denn da?« Hugo drehte
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