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Der 26. Stock

Titel: Der 26. Stock
Autoren: Enrique Cortés
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Interessen über die Würde der Welt und ihrer Bewohner stellten. Das ist das Höllenfeuer. Meine Mission ist es, sicherzustellen,
     dass diejenigen, die es verdient haben, darin brennen.«
    Isabel wusste nichts zu antworten, aber der letzte Satz erinnerte sie an jemanden, der sein Leben gelassen hatte, damit sie
     und ihre Begleiter davonkämen.
    »Aber Vera   … Sie müssen sie retten! Sie hat sich für uns geopfert!« Mateo schüttelte den Kopf, ohne die Augen aufzumachen.
    »Das war ihr Schicksal, Señorita Isabel, ihre Strafe. Tut mir leid. Wenn sie richtig gehandelt hat, wird das ihre Waagschale
     leichter machen, wenn über ihre Seele geurteilt wird.«
    Isabel wollte Einspruch erheben, wollte nachfragen, was es mit dieser Waage auf sich hatte. Allzu viele Fragen waren offengeblieben,
     allzu viele Rätsel ungeklärt. Doch da erklang der Klingelton. Die Türen gingen auf, und Teo trat schützend vor seine Schwester.
     Die Flammen züngelten auf das Innere des Aufzugs zu, doch keiner wurde von ihnen erfasst. Die Flammen hielten an der Schwelle
     zum Aufzug inne, als wären sie auf eine durchsichtige Wand gestoßen. Auf der anderen Seite wurde das Foyer sichtbar. Als Isabel
     sich umdrehte, sah sie, dass Mateo die Handfläche seiner rechten Hand den Flammen entgegenstreckte.
    »Bald geht es ihm wieder gut«, sagte Mateo und nahm die Linke von Zacs Stirn. Zac schlug die Augen auf. Er schien aus einem
     tiefen Schlaf zu erwachen. Der Alte führte beide Hände zusammen, und das Feuer wurde von einer unsichtbaren Kraft zurückgestoßen.
     Verwundert stellte Isabel fest, dass die Flammen, die noch Sekunden zuvor das gesamte Stockwerk beherrscht hatten, nun schwächer
     wurden und schließlich auf einige wenige Brandherde beschränkt blieben. Dort flackerten sie heftig und schossen empor, als
     wollten sie aus ihrem unsichtbaren Gefängnis ausbrechen und alles in Schutt und Asche legen. Zu dritt halfen sie Zac auf die
     Beine. »Laufen Sie. Bald sind die Flammen wieder außer Kontrolle.«
    Auf Teo gestützt trat Zac aus dem Aufzug.
    »Kommen Sie bitte auch mit«, sagte Isabel und blieb neben Mateo stehen. Sie würde nicht zulassen, dass er zurückblieb.
    »Ich muss noch ein paar Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, Señorita Isabel«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Sie sind sehr
     freundlich, aber das ist meine Mission. Wenn sie vollbracht ist, warte ich nur noch darauf, dass der Herr mich zu sich holt.«
    »Nein, Mateo. Wenn Sie noch einmal nach oben fahren, sterben Sie. Das Gebäude stürzt gleich ein. Sie schaffen es nicht mehr
     nach draußen.«
    »Ich weiß«, gab Mateo mit einem offenen Lächeln zurück.
    Er schien sein Schicksal froh hinzunehmen. Glücklich. Wieder hielt er die Handflächen vor sich. Isabel sah, wie zu seiner
     Rechten wie von selbst einer der Knöpfe zu den höheren Etagen aufleuchtete. Dann spürte sie einen starken Druck auf der Brust.
     Etwas zwang sie, zurückzuweichen.
    »Nein!«, rief sie. »Denken Sie an Ihre Enkelin! Wollen Sie, dass María alleine zurückbleibt?«
    »Im Gegenteil, meine Liebe«, erwiderte Mateo. Die Metalltüren schlossen sich. »Sie ist in der Nacht gestorben, nachdem Sie
     bei uns waren. Mein Mädchen   … Sie wäre eine bildhübsche, blonde junge Frau geworden. Aber bald werde ich an irgendeinem Ort mit ihr vereint sein   …«
    Die Türen des Aufzugs schlossen sich. Mateo hatte sich entschlossen zu sterben.
    María war also schon gegangen. Während ihre Fäuste gegen das Metall schlugen, dachte Isabel über Mateos letzte Worte nach.
     Seine Enkelin wäre eine bildhübsche, blonde junge Frau geworden   … Und sicher hätte sie rote Schuhe getragen – wie die Erscheinung, die ihr auf der Toilette die Videokamera hinterlassen und
     die das Monster abgelenkt hatte, damit sie es bis zur Treppe schaffen konnten.
    »Isa   …« Teo trat neben seine Schwester und fasste sie zärtlich am Arm. »Isa, wir müssen gehen.«
    Er hatte recht. Mateo hatte es ihr eindeutig zu verstehen gegeben. Sie hatten nur noch wenige Sekunden. Zu zweit stützten
     sie Zac und steuerten auf die Drehtür zu. Wo vorher Glas gewesen war, lag nur noch Schutt. Verbogenes Metall, Bruchstücke
     von Möbeln, Reste von Baugerüsten und Zement blockierten den Ausgang.
    »Zur Treppe!«, rief Isabel.
    Sie machten kehrt. Ihre Schultern ächzten unter Zacs Gewicht. Mit einem Mal wurde das Prasseln der Flammen wieder lauter.
     Isabel sah sich um. Das Feuer rückte jetzt wieder vor. Die Feuertreppe
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