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Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Titel: Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Autoren: John P. Kummer Fritz Kamer
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in eine Manie hineinzugeraten. Man sieht keine Hemmnisse mehr, die unheimlich vielen Aufgaben gleichzeitig erledigen zu können. Weit und breit sind keine Sorgen auszumachen, im Gegenteil, man ist in einem unerhörten Glücksrausch; das Leben ist total unwirklich, wie ein Traum, paradiesisch … Bis man dann von dem vielen Getue erschöpft zusammenbricht und die Stille nach dem Sturm einsetzt. Und das Gegenteil der Manie, eine erneute Depression, ist meistens die Folge.
    Die Symptome einer Manie sind folgende:
C Hyperaktivität im Beruf, sozial, schulisch oder auch sexuell
    C Gesteigertes Selbstwertgefühl bis zum Größenwahn
    C Ideen kommen und gehen zuhauf, Rededrang
    C Ablenkbarkeit, unlogische Gedankenfolgen
    C Risikofreudigkeit in Geldausgaben, Investitionen, sexuellem Verhalten
    Ich habe diese Symptome zum Teil auch erlebt, aber nie in einem besonders krankhaften Ausmaß. Es gibt ein Stadium zwischen Depression und Manie, die Hypomanie . Sie entsprach meinem Zustand. Das griechische Wort »hypo« bedeutet »unter, unterhalb«, also bewegte ich mich in einer Hypomanie unterhalb der eigentlichen Manie.
    Meine früheren Depressionen waren immer scheinbar unipolar, obschon ich natürlich auch immer überglücklich war, wenn die Depression vorbei war. Hypomanien wurden erst in späteren Jahren diagnostiziert.
    Ich glaube aber, dass dieser Gemütszustand schon vorher häufig auftrat. Denn nach einer ausgestandenen Depression fühlt man sich befreit, die dunkle Wolke über dem Kopf ist weg, der Himmel ist blau, die Welt total in Ordnung. Das ist das Gefühl, wenn man von der Depression wieder in die Normalität aufsteigt. Ich war unheimlich froh, dass das Elend vorbei und plötzlich alles wunderbar war. Aber die Veränderung war dann auch etwas unwirklich: Ich verkannte die Realität, es konnte ja nicht plötzlich alles makellos sein.
    In der Hypomanie hat man allerdings dieses Gefühl. Ich verspürte kaum Widerstände gegen meine Pläne und Aktivitäten. Vielmehr fühlte ich eine große Kraft in mir, Energie war fast im Überfluss vorhanden. Sie erlaubte mir zu arbeiten, viele Projekte gleichzeitig in Angriff zu nehmen und erfolgreich zu Ende zu führen. Abgespanntheit und Müdigkeit waren Fremdwörter. Ich brauchte vielleicht vier Stunden Schlaf, legte mich nach dem Mittagessen hin, schlief zehn Minuten und war wieder bereit für einen Nachmittag voller Arbeit. So war es mir möglich, wieder meine Aufgaben in der Firma zu erfüllen, allerdings mit einigen Veränderungen in meinem Pflichtenheft der Verantwortlichkeiten.
    Auch konnte ich mich zusätzlich dem erwähnten Aufbau von Selbsthilfegruppen widmen. Ich war sozusagen die Speerspitze, trug die Idee voran, bereitete den Boden vor. Freilich wäre der Erfolg ohne die Mitarbeit einiger Idealisten und hart Arbeitender in unserem Verein ausgeblieben. So sah ich auch stets die Realität, obschon ich immer etwas vom Boden abgehoben in der Hypomanie verweilte.
    Manisch depressiv sein ist sehr problematisch und kann für den Betroffenen oder für sein Umfeld gefährlich werden, denn der Patient sieht kaum noch Grenzen für sein Handeln. Für ihn ist plötzlich alles möglich. Er ist entweder dauerhaft in Euphorie oder er ist gereizt, weil das Umfeld nicht positiv auf ihn reagieren will oder kann. Viele bipolare Störungen dauern zwischen vier und zwölf Monate, wenn sie nicht behandelt werden. Eine schnellstmögliche Behandlung ist wichtig, um diese Krankheitszeit abzukürzen. Fast die Hälfte der bipolar kranken Patienten begeht mindestens einmal im Leben einen Suizidversuch. Die Suizidrate dieser Patienten ist 12- bis 15-mal höher als die der Normalbevölkerung.
    Ich muss eine sehr spezielle hypomanische Phase durchlebt haben, denn für mich war es eine herrliche Zeit! Etwa sieben Jahre, von 1993 bis 2000, verfügte ich über ein unerhörtes Energiepotenzial. Woher kam das? War es die lang aufgestaute Blockade, durch einige Frühjahrsdepressionen verursacht, oder war es die zündende Idee der Selbsthilfe, das Bewusstwerden, dass die Betroffenen selbst aktiv werden müssen, wenn sich etwas in ihrem Leben verändern soll? Vielleicht war es beides, ich weiß es nicht.
    Später ging meine Hypomanie doch langsam aber stetig wieder in die Normalität über und hoffentlich auch in eine Abgeklärtheit, die mich die Dinge heute klarer sehen lässt als früher. Das ist wahrscheinlich auch der Lohn für all das mühsame, spannende, aber anstrengende Auf und Ab der Psyche in
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