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Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige

Titel: Depression! Wie helfen? - das Buch für Angehörige
Autoren: John P. Kummer Fritz Kamer
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meine Passivität berichtete; ich musste ja in Ruhe gelassen werden. Sie nahm mein Benehmen in der Depression ohne große Rückfragen hin und wegen der Medikamente wusste sie auch, dass es eben eine Krankheit war, an der ihr Vater litt. Weil sie befürchtete, mit meinen Reaktionen nicht umgehen zu können, getraute sie sich auch nicht, spontan zu mir zu kommen. Die Stimmung im Hause war für sie oft sehr bedrückend, die Mutter wirkte angespannt und belastet. Aber ihr Leben außerhalb der Familie, die Beziehung zur Schule wie auch zum Kollegen- und Freundeskreis wurden nicht beeinflusst. Sie war nicht zu sehr belastet, das Leben zu Hause war in Ordnung und trotz der speziellen Situation nicht bedrohlich.
    Die Mittlere war bei den früheren Störungen noch ein Kind – etwa zehn oder elf Jahre alt. Für sie war wichtig, dass der Alltag – sprich Kleidung, Essen, Dach über dem Kopf, Betreuung und Förderung – von der Mutter geregelt war. Bestürzt war das Kind, als es fragte, was der Vater eigentlich habe und Mamas Antwort unter Tränen kam: »Depressionen«. Das Kind war in Angst, dass es Mama nicht gut gehe. Es war auch traurig, weil es seiner besten Freundin von Vaters Krankheit erzählte und diese damit natürlich überhaupt nichts anfangen konnte. Depressionen, bei denen der Patient bleich und krank aussieht, waren für das Kind etwas Unbekanntes und Beängstigendes. Später, als meine Tochter schon verheiratet war und ein Kind erwartete, wusste sie bei einer meiner Depressionen noch nicht, dass sie nichts Wesentliches tun konnte, um mir zu helfen. Sie hatte sehr wenig Informationen über die Krankheit. Dies wurde erst anders, als ich mich selbst mit der Depression zu beschäftigen begann und an die Öffentlichkeit trat. Sie hat sich auch nie darüber Gedanken gemacht, dass die Krankheit vererbt werden könnte.
    Die Jüngste war zu jung, um die frühen Störungen mitzubekommen, und später war sie entweder in Übersee oder nur auf Besuch bei uns. Als sie von der Krankheit erfuhr, wollte sie nach Hause kommen, aber meine Frau hielt dies nicht für notwendig, was auch richtig war. Als wir später einmal bei einer Familienfeier zusammenkamen und ich in der Depression steckte, wirkte meine kranke Erscheinung für sie sehr befremdend, denn »Vater war nicht Vater«, wie sie meinte, da er doch sonst immer Vollgas gab. Sie konnte das aber wegstecken und wusste, dass es wieder gut würde.
    Adieu, Schwarze Dame!
    Nach einer mündlichen Überlieferung (zitiert von Daniel Hell und anderen) sprach der bekannte Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung von der Depression als einer Dame in Schwarz, die man nicht verscheuchen, sondern an den Tisch bitten und anhören solle, was sie zu sagen habe. Trotzdem ist es befreiend, wenn man am Ende die Dame höflich aber bestimmt vor die Tür setzen und ihr raten kann, sich nicht wieder blicken zu lassen. Ich glaube fest, dies ist mir gelungen.
    Es ist ein großes Geschenk, älter zu werden und dabei gesund zu bleiben. Das Leben wird kostbarer, und man lebt jeden Tag intensiver als in jungen Jahren. Es ist für mich heute kaum vorstellbar, dass es tief in der Krankheit eine Zeit gab, wo ich am liebsten tot gewesen wäre. Das ist für mich mit ein Grund, auch heute so viel Freude am Leben zu haben – und trotz meines Alters manch Nützliches zu leisten.
    1993 begann ich, mich mit der Krankheit Depression zu befassen. Nachdem ich in den Jahren 1960 bis 1972 viermal und dann, nach 18 Jahren Pause, 1992 und 1993 jeweils mehrere Monate in Depressionen verbracht hatte, war es Zeit, präventiv etwas zu unternehmen und möglichst keinen Rückfall mehr zuzulassen. Das hieß, die Krankheit umfassend zu studieren, die Zusammenhänge bei der Auslösung der Krankheit zu erforschen, der Diagnose und den Therapien nachzugehen, mich über die Gründe und das Ausmaß der Ausgrenzung der Depression und der Stigmatisierung der psychischen Krankheiten ins Bild zu setzen.
    Im selben Jahr stieß ich auf ein Zeitungsinserat der Amerikanerin Marylou Selo. Sie suchte Depressionsbetroffene zwecks Gründung einer Selbsthilfegruppe in Zug. Ich setzte mich sofort mit ihr in Verbindung. Bei der ersten Zusammenkunft waren wir zu viert und beschlossen, sofort eine Selbsthilfegruppe ins Leben zu rufen. Auch Marylou Selo war fast ihr Leben lang Depressionen und Manien unterworfen.
    Dank meiner ungefährlichen, aber unglaublich viel Energie spendenden hypomanischen Phase (ein Zustand knapp »unterhalb« der Manie), die
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