Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben

Titel: Denkwuerdigkeiten - Aus Meinem Leben
Autoren: Eckhard Henscheid
Vom Netzwerk:
Puccini- LP , die wurde mir eh von einem stark Ahnungsreichen geschenkt – die ökonomischen Verhältnisse wären also gar kein Zwang gewesen, sondern allerweil und vorzüglich Genuß, zumindest bei besonders hohen oder meinetwegen auch inferioren Charakteren wie mir. Warum auch nicht gar.
    Jedenfalls, »so war das damals« (Heino Jaeger) – und aber wie trotzdem genau? Ich weiß es selber nicht mehr? Oho! Nun, vielleicht werden es mir dereinst die Todesbettlaken wieder einflüstern und bekanntgeben, verflucht nochmal, ja, in meiner Todesstunde werde ich natürlich klüger sein, aber ehe die gar zu schnell heranrückt und es dann zu spät ist, denke ich über diesen wichtigen, diesen würdigen Gegenstand jetzt schon mal erneut nach. Heute abend, und wenn was dabei herauskommt, teile ich es euch morgen schnurgrad mit.
    *
    Froh bin ich im nachhinein schon, daß mich mit 15 auf dem Gymnasium fast nichts von Ilias und Troja und herrlichen Helden, von Peliden und Atreus’ Söhnen und Hektor und Patroklos und Agamemnon heimsuchte, wenig erfuhr ich vom »Donnerer« noch vom dostojewskinahen »Väterchen« Zeus. Denn Griechisch hatte und konnte ich nicht.
    Und der Lateinlehrer erzählte weniger von Punischen und Gallischen Kriegen als begeistert von denen Hitlers gegen den Rest der Welt, von eigenen Flak- und Stuka-Erlebnissen aus seinem unversieglichen Schatzbrünnlein. Anders als meiner Erinnerung nach alle anderen Schüler samt und sonders hörte ich aber da mißvergnügt beinahe nicht hin, ich verstand genaugenommen auch gar nichts, wie insgesamt »im Fache Geschichte« (G. Polt, Der Kaiser Nero) wenig, ja nichts. Und so fiel es mir auch recht leicht, lebenslang Pazifist zu werden und, anders als Jockel Fischer, es auch zu bleiben. Der Krieg, ob als gerechter oder weniger gerechter, ist scheint’s nicht meine Heimat, liegt in all seinen Formen und Dimensionen außerhalb meiner Möglichkeiten, meiner Denkmöglichkeiten – und so möge es denn auch bis zum seligen Ende bleiben und sein »gesinnungs-, nicht verantwortungsethisches« (Franz Josef Strauß so ungefähr nach Max Weber) Bewenden haben.
    Gern und gerührt gestimmt las ich allerdings später beim antikisch interessierten Gustav Schwab wenn schon nicht von Achill und Odysseus, so doch von einer zur Kuh verwandelten pelasgischen Königstochter namens »Io«, vom »flehentlichen Brüllen der Kuh, das zum Olymp emporstieg«. Und hätte es ggf. schon als 12–15jähriger genau so gern gelesen wie meine anderweitige damalige Lieblingsprosa: Sentimentale Tiergeschichten vornehmlich von Mäusen und Maikäfern, die da getrost fast ebensoviele Tränen hervortrieben wie etwa gleichzeitig (und auch das entwicklungstechnisch arg verspätet) Winnetous Tod.
    *
    Im ziemlich nahen Zürich/Kilchberg bekam, den grandios gerontokratischen Tagebüchern nach zu schließen, der berühmte Remigrant und Neuschweizer und Altrepublikanerdeutsche Thomas Mann offenbar gar nicht mit, daß am 4.7.1954 in Bern ein Fußballweltmeisterschaftsendspiel Ungarn – Deutschland statthatte, mit Deutschland als sogenanntem Überraschungssieger. Aber war vielleicht sogar besser so. Neun Jahre nach Hitlers Abgang war die allgemeine nationale und kulturelle Gesinnung noch immer oder schon wieder unverändert altbewährt barbarisch-kitschig, ja in Wort und Ton ganz lästerlich hitler-goebbelshaft. Gleich, ob Fritz Walters »3:2«-Erinnerungsbuch, das ich selber im Jahr drauf las und kürzlich nicht ohne Neugier wiederlas, mehr die Mentalität des deutschen Spielführers oder die eines ghostwritenden journalistischen Gauners spiegelt; mehr die im »Geist von Spiez« sich manifestierende halbwegs wirkliche Atmosphäre wiedergibt oder eine angebliche, postum präfabrizierte, dem dummen Leser suggerierte aus schierer Infantilität und Regression; mit dem Höhepunkt unter vielen, daß das Buch zwei Seiten nach dem 3:2-Spiel-Schlußpfiff bereits dreifach sinnlos, ja wahrlich wahnsinnig geworden Toni Tureks »himmelschreiende Ruhe« als Gewähr für den Sieg bekräht. Ob dem faselnden Mann – kaum Fritz Walter, das mag ich einfach nicht glauben – da irgendein frühes expressionistisches Lyrikidol vonwegen gellende Stille unterm auguststrammhaft verräterischen Himmel ins Kleinhirn geschliddert ist?
    Phrasen und Dümmlichkeiten und Unsäglichkeiten und Gemeinheiten begleiteten, von mir damals schwerlich schon gewittert, »Deutschlands Wiederaufstieg ins Konzert der Weltmächte« (der seinerzeit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher