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Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Denken hilft zwar, nutzt aber nichts

Titel: Denken hilft zwar, nutzt aber nichts
Autoren: Dan Ariely
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Verbandwechsel (soweit ich weiß) zwar nicht umgesetzt, aber die Geschichte hinterließ einen starken Eindruck bei mir. Wenn die Krankenschwestern trotz all ihrer Erfahrung das reale Erleben ihrer Patienten, um die sie sich so sehr sorgten, nicht richtig einschätzten, dann schätzen andere Menschen die Folgen ihres Verhaltens vielleicht ebenso falsch ein und treffen daraufhin falsche Entscheidungen. Ich beschloss, meine Forschung zum Thema Schmerz auf die Erforschung der Tatsache auszuweiten, dass Menschen immer wieder dieselben Fehler machen – ohne viel daraus zu lernen.
     
    Und darum geht es in diesem Buch: um die vielfältigen Formen irrationalen Verhaltens. Die wissenschaftliche Disziplin, die es mir ermöglicht, mit diesem Thema herumzuspielen, nennt sich
Verhaltensökonomik
.
    Die Verhaltensökonomik ist ein relativ neues Gebiet, das sowohl Aspekte aus der Psychologie wie auch der Ökonomie einbezieht. Durch sie bin ich auf die unterschiedlichsten Themen gekommen: von unserer Abneigung, für das Alter Geld zurückzulegen, bis zu unserer Unfähigkeit, im Zustand sexueller Erregung klar zu denken. Doch ich versuche, nicht nur das Verhalten zu verstehen, sondern auch die Entscheidungsfindungsprozesse hinter diesem Verhalten – bei Ihnen, bei mir und bei allen anderen Menschen. Ehe ich näher darauf eingehe, möchte ich kurz erläutern, um was es bei der Verhaltensökonomik geht und wie sie sich von der herkömmlichen Ökonomie unterscheidet. Schlagen wir bei Shakespeare nach:
     
    Welch ein Meisterwerk ist der Mensch! Wie edel durch Vernunft! Wie unbegrenzt an Fähigkeiten! In Gestalt und Bewegung wie bedeutend und wunderwürdig! Im Handeln wie ähnlich einem Engel! Im Begreifen wie ähnlich einem Gott! Die Zierde der Welt! Das Vorbild der Lebendigen!
    aus: Hamlet, II. Akt, 2. Szene
     
    Die meisten Wirtschaftswissenschaftler, Entscheidungsträger und ganz normalen Menschen sehen die menschliche Natur so, wie sie dieses Zitat widerspiegelt. Natürlich ist diese Sicht größtenteils zutreffend. Unser Geist und unser Körper können Erstaunliches leisten. Jemand wirft uns aus einiger Entfernung einen Ball zu; wir berechnen blitzschnell seine Flugbahn und den Aufprallpunkt und bewegen dann unseren Körper und die Arme entsprechend, um ihn zu fangen. Wir lernen mitLeichtigkeit neue Sprachen, besonders als Kinder. Wir können Meister im Schachspiel werden. Wir erkennen Tausende von Gesichtern, ohne sie zu verwechseln. Wir schaffen Musik, Literatur, Technik und Kunst – und die Liste ließe sich noch endlos fortsetzen.
    Mit seiner Wertschätzung für den menschlichen Geist ist Shakespeare nicht allein. Tatsächlich sehen wir uns alle ungefähr so, wie von Shakespeare beschrieben (obwohl wir durchaus erkennen, dass unser Nachbar, unser Partner und unser Chef diesem hohen Niveau nicht immer gerecht werden). Im wissenschaftlichen Bereich hat eine solche Einschätzung unserer Fähigkeit zum absolut rationalen Verhalten Eingang in die Ökonomie gefunden. In der Ökonomie liefert dieser Grundgedanke, der Begriff der
Rationalität,
die Basis für ökonomische Theorien, Prognosen und Empfehlungen.
    Von dieser Warte aus betrachtet und in dem Maße, wie wir alle an die Rationalität des Menschen glauben, sind wir alle Wirtschaftswissenschaftler. Ich meine damit nicht, dass jeder von uns imstande ist, instinktiv komplexe spieltheoretische Modelle zu entwickeln oder das generalisierte Axiom der offenbarten Präferenzen (GARP) zu verstehen; ich meine vielmehr, dass wir die Grundüberzeugungen hinsichtlich der menschlichen Natur teilen, auf denen die Wirtschaftswissenschaft aufbaut. Wenn ich in diesem Buch vom
rationalen
Modell der Ökonomen spreche, meine ich damit die Grundannahme, von der die meisten Ökonomen und gewöhnlichen Menschen in Bezug auf die menschliche Natur ausgehen – den simplen und einleuchtenden Gedanken, dass wir fähig sind, für uns selbst die richtigen Entscheidungen zu treffen.
    Obwohl Respekt für die menschlichen Fähigkeiten durchaus angebracht ist, besteht doch ein enormer Unterschied zwischen großer Bewunderung und der Annahme, dass wireine uneingeschränkte Fähigkeit zum logischen Denken besitzen. In diesem Buch geht es gerade um
Irrationalität
– darum, dass wir weit vom Ideal entfernt sind. Zu erkennen, wo wir vom Ideal abweichen, ist meiner Meinung nach ein wichtiger Bestandteil unserer Suche nach wirklicher Kenntnis unserer selbst, und es verspricht zudem viele praktische Vorteile.
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