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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein
Autoren: Elliott Hall
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sein, aber die ausländischen Medien werden Fragen stellen, sobald seine Sendung ausfällt.«
    »Ich würde alle ausländischen Korrespondenten aus dem Land werfen, wenn ich könnte«, sagte White. Sie waren für seine übliche
     Form der Medienkontrolle nicht ganz so empfänglich: für die Nichtveröffentlichung einer Story im Gegenzug eine Exklusivnachricht
     versprechen (Zuckerbrot) und damit drohen, dem Sender oder der Zeitung jede Information komplett zu sperren, wenn sie den
     Mund nicht hielten (Peit sche ). »Jeder Einzelne von ihnen ist objektiv gesehen terroristenfreundlich und familienfeindlich. Die Ältesten halten diese Lösung
     allerdings auf lange Sicht für unklug, deshalb sind mir die Hände gebunden. Bruder Isaiah hatte beabsichtigt, heute Nacht
     aufs Land zu fahren. Er hat sich oft zum Beten und Fasten zurückgezogen, bis zu seinem nächsten Sendetermin wird ihn also
     keiner vermissen.«
    »Wann ist der?«
    »Nächsten Sonntag um sieben«, antwortete White. »Ich gebe Ihnen fünftausend Dollar als Vorschuss und noch malzwanzigtausend, wenn Sie jemanden überführen. Ich weiß, dass Sie das Geld brauchen.«
    »Ich kann ohne den Ärger auskommen. Vielen Dank«, sagte ich und wollte zur Tür gehen.
    »Mr Strange, tun Sie nicht so, als wären wir beide dumm genug zu glauben, dass Sie die Wahl haben.«
    Ich blieb an der Schwelle des Schlafzimmers stehen und dachte über meine Zukunft nach. Wahrscheinlich würden sie mit einer
     vollständigen Überprüfung meiner Steuererklärungen der letzten zehn Jahre beginnen. Dann würden sie jeden Fall, an dem ich
     je gearbeitet hatte, abklopfen, um mir meine Lizenz zu entziehen. Danach würden sie sich über meine Freunde hermachen, insbesondere
     über jeden, der mir vielleicht Geld leihen würde. Sie würden mir kein Haar krümmen; die Armut würde alles Nötige für sie erledigen.
     Ich konnte versuchen, mich gegen sie zu wehren, aber ich würde verlieren, und meine verdammte Neugier hatte ohnehin schon
     die Oberhand gewonnen.
    »Ich nehme an, das hier ist sein Zimmer.«
    White nickte. »Nicht schlecht für einen heiligen Mann.«
    »Der
Kreuzzug
hat für alles gezahlt.«
    »Natürlich. Ist das die Mordwaffe?«, fragte ich und zeigte auf die Hundeleine.
    »Das wissen wir noch nicht.«
    »Wer hat ihn gefunden?«
    »Ein Zimmermädchen. Wir halten sie als Zeugin fest.«
    Ich ließ den Blick noch einmal durch den Raum wandern. Manhattan leuchtete hinter der Schiebetür, die auf den Balkon hinausführte.
     In der Ferne schwebte ein Luftschiff, eines der fünf, durch die die New Yorker Polizei die Stadt rund um die Uhr überwachen
     ließ. Ein zehnstöckiges Kreuz glühte auf der Spitze des Empire State Building. Es war vor einigen Jahren nur mit Spendengeldern
     errichtet worden. Alte Damen hattenDollars geschickt, die sie eigentlich nicht entbehren konnten, damit ganz Manhattan unter seinen neongrellen Schatten fiel.
    Wer immer diese Suite mietete, konnte von seinem Bett aus die höchsten Gebäudespitzen der Stadt bewundern und sich vorstellen,
     der Herr all dessen zu sein, was er vor Augen hatte. Bruder Isaiah aber hatte es bestimmt anders gesehen. Seine Augen waren
     auf das Spektrum der Sünde eingestellt gewesen und so waren ihm hinter den Hochhausmauern gewiss Silhouetten der Wollust und
     der Versuchung erschienen.
    »Sagen Sie mir, was Sie sehen«, forderte White mich auf.
    »Die Schlussfolgerung, die wir aus dieser Szene ziehen sollen, lautet, dass Bruder Isaiah in Gegenwart einer Prostituierten
     gestorben ist, während oder nach dem Sex, und zwar im Zuge eines autoerotischen Würgespiels.«
    »Das ist eine abstoßende und lächerliche Anschuldigung«, sagte White. Seine Augen weiteten sich, und er ließ seine untere
     Zahnreihe aufblitzen, der Beginn der gerechten Empörung, die ihn in sonntäglichen Talkshows so beliebt machte.
    »Natürlich ist das lächerlich. Kennen Sie irgendjemanden, der seine Pornographie so geschmackvoll arrangiert?«
    White enthielt sich einer Antwort.
    Die Drogen waren noch immer verpackt. Es lagen keine Kleider herum, und es gab auch keinen Hinweis auf eine Frau, abgesehen
     von ein paar Make-up-Spuren auf den Bettlaken. Das Schlafzimmer sah aus wie die Vorstellung, die ein Zwölfjähriger sich von
     einem Sündenpfuhl macht. »Hätte ich den Tatort nicht selbst gesehen, hätte ich es vielleicht geglaubt. Menschen, die sich
     so sehr für das intime Leben von anderen interessieren, haben in der Regel selbst merkwürdige
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