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Dem Vaterland zuliebe

Dem Vaterland zuliebe

Titel: Dem Vaterland zuliebe
Autoren: Alexander Kent
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die Boote treiben, Mr. Hockenhull!«
    Das war selbst für alte Teerjacken einer der schlimmsten Augenblicke. Sie wußten zwar, daß dadurch viele Verletzungen vermieden wurden, sollten die leichten Boote zu Splittern zerschossen werden. Aber wenn sie zu Wasser gelassen und losgeschnitten wurden, sahen viele in ihnen die letzte Hoffnung auf ein Überleben schwinden, falls sich das Glück gegen sie wenden würde. Locker miteinander verbunden trieben sie mit der See nach Lee. Der Sieger, wer auch immer es sein würde, würde sie wieder auffischen.
    »Netze riggen!«
    Die Männer führten den Befehl aus. Allday erkannte seinen Sohn, der mit seinen neuen Mackern an Blöcken und Taljen riß, um das schützende Netz über das große doppelte Rad und die vier Rudergänger zu riggen.
    Nur ein Blick, dann war er wieder verschwunden. Einen winzigen Augenblick lang versuchte Allday, sich an Bankarts Mutter zu erinnern. Doch das Bild blieb leer. Er war schockiert, daß er nichts mehr wußte. Es war, als habe es sie nie gegeben.
    »Von
Reaper,
Sir. Feind in Sicht im Südwesten!«
    »Bestätigen und Meldung an
Zest
weitergeben.«
    Ohne Vorwarnung wandte sich Bolitho an den Unteroffizier: »Können Ihre Pfeifer
Portsmouth Lass
auswendig?«
    Der Mann blies die Backen auf: »Ja, Sir.« Am liebsten hätte er ein verächtliches »Natürlich, was denken Sie!« hinzugefügt.
    »Dann sollen sie es spielen!«
    Isaac York schrieb in sein Logbuch, daß an diesem Septembermorgen 1812, als die
Indomitable
unter verkleinerten Segeln unverändert ihren Kurs hielt, die Trommler und Pfeifer des Schiffes auf dem vollen Kanonendeck exerziermäßig auf und ab marschierten und die bekannte Melodie
Portsmouth Lass
so gut spielten, daß mancher den Takt mit dem Fuß mitklopfte oder die Lippen spitzte und für sich allein mitpfiff.
    Allday sah zu seinem Admiral herüber und lächelte ernst.
    Bolitho würde diese Szene nie vergessen. Und er auch nicht.
    Bolitho nahm ein Fernglas aus dem Stell und ging zur Achterreling. Er paßte sich beim Gehen dem Seegang an, ohne es zu merken.
    Er hob das Glas ans Auge und stellte es sorgfältig ein. Er stellte sich vor, wie eine Möwe ganz hoch über ihnen seine Schiffe sehen würde. Sie segelten in einer Linie, mit der
Indomitable
im Zentrum. Der Wind kam frisch, aber stetig, achterlich von Steuerbord, jedenfalls im großen und ganzen, wie Isaac York sagen würde. Noch einmal suchte er die westliche Kimm ab. Sie lag immer noch in nebligen Schatten, ganz anders als die silberne, messerscharfe Kimm im Osten.
    Sein Griff wurde fester, als er versuchte, seine Gefühle zu unterdrücken. Die Mannschaften an den Kanonen auf dem Achterdeck warteten immer noch auf Befehle, nachdem das Schiff gefechtsklar war. Einige beobachteten ihn sehr genau und dachten sicher daran, was dieser Tag bringen würde.
    Da war sie! Beers
Unity.
Sie hatte alle Segel gesetzt, und sie standen voll. Es schien, als stürze sie ständig nach vorn in die aufsteigende Gischt unter dem Bugspriet. Die große Flagge des Befehlshabers stand wie aus Metall geschnitten vor dem Himmel: ein Bild von Kampfkraft zur See – wie gemalt.
    Zurückgewandt sagte er: »Melden Sie Kapitän Tyacke.
    Fünfzehn Minuten!«
    Er schaute nach oben zu seiner eigenen Flagge und spürte – wie aus Protest – einen stechenden Schmerz in seinem Auge.
    Avery hielt sich bereit, die Signalflaggen waren bereits angeschlagen. Genau wie abgesprochen. Nur daß Adam seine
Anemone
nicht mehr hatte. Heute würde er ihren Verlust ganz besonders fühlen. Er kannte die Stärken seiner Männer noch nicht, schon eher das Schiff selber, das in vielem seiner geliebten
Anemone
glich. Und dennoch war es eben ein ganz anderes Schiff, dachte Avery.
    Er ging über das Achterdeck an die Reling und musterte das Schiff über die ganze Länge.
    Die Mannschaften standen trotz des kühlen Winds mit nacktem Oberkörper an den Kanonen. Ihre kräftigen Körper waren gebräunt vom Dienst in der Karibik. Die würden weder aufgeben noch davonlaufen.
    Er zog seine Uhr aus der Tasche. Midshipman Essex schaute ihm dabei konzentriert zu.
    Jetzt durfte ihm kein Fehler unterlaufen. Beer hatte die Luv-Position – schlimm genug.
    Er spürte Allday jetzt neben sich und hörte ihn unregelmäßig atmen. Wahrscheinlich meldete sich der alte Schmerz deutlich wieder und erinnerte ihn an all das, was früher vorgefallen war. Zusammen hatten die
Unity
und die
Baltimore
wahrscheinlich so viele Kanonen wie ein Linienschiff der
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