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Delirium

Delirium

Titel: Delirium
Autoren: Lauren Oliver
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auch vermissen, Hana«, sage ich nach einer Weile.
    Sie geht ein paar Schritte aufs Wasser zu und kickt mit der Schuhspitze einen Bogen Sand weg. Er scheint den Bruchteil einer Sekunde in der Luft zu schweben, bevor er zu Boden rieselt. »Tja, du weißt ja, wo du mich findest.«
    Wir stehen noch eine Weile da und hören auf die Tide, die am Ufer leckt, das Wasser, das kleine Felsbröckchen anhebt und mit sich reißt: Steine, die über Tausende und Abertausende von Jahren zu Sand wurden. Eines Tages wird all das vielleicht Wasser sein. Eines Tages wird vielleicht alles zu Staub zerfallen sein.
    Dann dreht sich Hana um und sagt: »Los geht’s. Wer zuerst am Sportplatz ist«, und rennt schon los, bevor ich noch Okay sagen kann.
    Â»Das gilt nicht!«, rufe ich hinter ihr her. Aber ich gebe mir keine große Mühe, sie einzuholen. Ich lasse sie ein paar Meter vor mir herlaufen und versuche sie mir ganz genau einzuprägen: rennend, lachend, braun gebrannt, glücklich und schön und mein; das blonde Haar, das in den letzten Sonnenstrahlen aufblitzt wie eine Fackel, wie ein Signalfeuer für das Gute, was vor uns liegt, eine bessere Zukunft für uns beide.
    Liebe. Die gefährlichste aller Krankheiten. Sie endet auf jeden Fall tödlich, ob man sie hat oder nicht.
    Aber das stimmt nicht ganz.
    Der Verdammende und der Verdammte. Der Henker; die Klinge; die Begnadigung in letzter Minute; der keuchende Atem und der gewölbte Himmel über einem und danke, danke, danke, lieber Gott.
    Liebe: Sie bringt dich um, aber sie rettet dich auch.

funfundz w anzig
    Nur Eile rettet mich, Verzug ist Tod.
    Aus dem Lehrstück Romeo und Julia von William Shakespeare, abgedruckt in:
Princeton Review, 100 Zitate für die Abschlussprüfung
    E s ist kalt, als ich mich irgendwann nach Mitternacht auf den Weg zur Brooks Street 37 mache, und ich ziehe den Reißverschluss meiner Nylon-Windjacke bis ans Kinn hoch. Die Straßen sind so dunkel und ruhig, wie ich es noch nie erlebt habe. Nirgendwo ist auch nur der Hauch einer Bewegung wahrzunehmen, kein Vorhang zuckt in den Fenstern, kein Schatten huscht über Wände und erschreckt mich, in keiner Gasse glitzern Katzenaugen oder krabbeln Rattenbeine, nirgends höre ich das entfernte Trommeln von Schritten auf dem Bürgersteig, wenn die Aufseher ihre Runden drehen. Es ist, als hätten sich bereits alle auf den Winter eingestellt – als wäre die ganze Stadt tiefgefroren. Es ist seltsam. Ich muss wieder an das Haus denken, das auf irgendeine Weise die Offensive überstanden hat und noch immer dort in der Wildnis aufragt, perfekt erhalten, aber vollkommen unbewohnt.
    Ich bin erleichtert, als ich um die Ecke biege und den rostigen Eisenzaun vor dem Grundstück von Brooks Street 37 erblicke, weil Alex in einem der dunklen Zimmer hockt und vielleicht gerade ernst Decken und Konservendosen in einen Rucksack packt. Bis eben war mir gar nicht klar, dass ich irgendwann im Laufe des Sommers angefangen habe, Brooks Street 37 als mein Zuhause zu betrachten. Ich schiebe meinen Rucksack etwas höher auf meine Schulter und laufe zum Tor.
    Aber etwas stimmt nicht damit: Ich rüttele ein paarmal daran, aber es geht nicht auf. Erst denke ich, es klemmt. Dann merke ich, dass jemand ein Vorhängeschloss darumgeschlungen hat. Es sieht neu aus und glitzert grell im Mondlicht, als ich daran ziehe.
    Brooks Street 37 ist abgeschlossen.
    Ich bin dermaßen überrascht, dass ich gar nicht mal ängstlich oder misstrauisch werde. Mein einziger Gedanke gilt Alex und wo er wohl ist und ob er etwas mit diesem Schloss zu tun hat. Vielleicht hat er das Grundstück abgeschlossen, um unsere Sachen zu schützen. Oder vielleicht bin ich zu früh dran oder zu spät. Ich will gerade versuchen, über den Zaun zu klettern, als Alex plötzlich rechts von mir lautlos aus den Schatten tritt.
    Â»Alex!« Obwohl wir nur ein paar Stunden lang getrennt waren, freue ich mich so, ihn zu sehen – bald wird er mein sein, ganz offiziell und vollständig –, dass ich vergesse, leise zu sprechen, als ich auf ihn zulaufe.
    Â»Pssst.« Er schlingt die Arme um mich, als ich praktisch auf ihn draufspringe, und wankt ein Stück rückwärts. Aber als ich meinen Kopf hebe, um ihn anzusehen, lächelt er und ich weiß, dass er sich genauso freut wie ich. Er küsst meine Nasenspitze. »Wir sind noch nicht in Sicherheit.«
    Â»Nein, aber
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