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Delia im Wilden Westen

Delia im Wilden Westen

Titel: Delia im Wilden Westen
Autoren: Marie Louise Fischer
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versteckt, morgen, bei Tageslicht, werden wir sie finden.“
    Akitu schwieg lange. Dann endlich sprach er, und aus seiner Stimme klang ein Hass und eine Erbitterung, wie Delia sie noch nie bei ihm gehört hatte. „Akitu hat den weißen Menschen von Fort Chickdown das Leben gerettet, aber die weißen Menschen haben sein Dorf zerstört.“
    Das war eine schwere Anklage. Aber Delia fiel auch darauf etwas ein: „Wenn wir nicht in Fort Chickdown gewesen wären“, sagte sie, „wären auch wir den Soldaten in die Hände gefallen. Wir haben also eigentlich noch einmal Glück gehabt!“
    Aber Akitu schwieg, und Delia zweifelte daran, dass er sich ihre Sicht der Dinge zu eigen machen konnte oder auch nur wollte.
    Sie faltete die Hände, schloss die Augen und betete. Sie betete für den fernen Vater, für die Mutter, die Schwestern, für Onkel Johannes und seine Familie und für die alte Sophie. Und zum Schluss betete sie: „Mach, dass alles wieder gut wird, lieber Gott! Du kannst das ja! Die Menschen machen alles schlecht und verkehrt. Sie hassen sich und kämpfen gegeneinander und fügen sich gegenseitig Leid zu. Aber du kannst alles wieder gutmachen. Lieber Gott, bitte, tu es!“
    Und dann schlief Delia getröstet und voll Vertrauen ein.

Delia wachte auf, sobald der plötzlich sehr lebhafte und muntere Gesang der Vögel im Urwald verriet, dass die Stunde des Sonnenaufgangs gekommen war. Aber vielleicht war es auch das Knurren ihres Magens, das sie geweckt hatte. Sie richtete sich auf, rieb sich die Augen.
    Das Feuerchen, das sie und Akitu die Nacht über gewärmt und vor wilden Tieren geschützt hatte, war niedergebrannt. Die Lichtung, auf der früher das Dorf der Iowanokas gestanden hatte, das jetzt dem Erdboden gleichgemacht worden war, füllte sich mit grauem Dämmerlicht.
    Und in dieser ungewissen Beleuchtung sah Delia drei Gestalten auftauchen, die, mit den Armen schlenkernd, sich hin und wieder bückend, quer über den weiten Platz schlenderten.
    In dieser Sekunde glaubte sie nichts anderes, als Indianer vor sich zu sehen — eine Squaw mit zwei Kindern, denn die mittlere der drei Gestalten war erheblich größer als die beiden anderen.
    Mit einem Ruck saß Delia aufrecht da. „Akitu!“ rief sie. „Wach auf! Die Frauen und Kinder sind noch da, ich hatte doch recht! Sie hatten sich nur versteckt! Sieh nur, da kommen welche!“
    Akitu, dessen Schlaf leicht wie der eines Waldtieres war, sprang mit einem Satz auf die Beine. Sein sonst immer so beherrschtes Gesicht verriet jetzt deutlich Freude.
    Nur der Mops zog sich knurrend zurück. Delia sah auf ihn herab und bemerkte, dass sein graues Fellchen sich zu sträuben begann und er mit einem geradezu wilden Ausdruck seine weißen Zähnchen entblößte.
    „Aber was hast du denn, Professor?“ sagte sie auf Deutsch. „Das sind doch unsere Freunde, du kleiner Dummkopf!“
    Lachend lief sie auf die drei Gestalten zu, während Akitu trotz aller Freude seine indianische Würde zu wahren wusste und hoch aufgerichtet stehenblieb, wie es sich für einen Häuptlingssohn einer Squaw und ihren Kindern gegenüber geziemt. Doch dann blieb Delia das Lachen in der Kehle stecken. Sie hielt so plötzlich im Lauf inne, dass sie beinahe über ihre eigenen Füße gefallen wäre.
    Es war von Sekunde zu Sekunde heller geworden, und mit namenlosem Entsetzen erkannte sie, dass sie keine Indianer vor sich hatte, sondern — Bären. Eine riesige, hoch aufgerichtete Bärenmutter, die an jeder Seite von einem Bärenjungen begleitet wurde.
    Delia sah die funkelnden Augen, die riesigen Pranken, die unheimlich scharfen, blitzenden Zähne, und sekundenlang war sie einfach unfähig, zu einem Entschluss zu kommen. Wie gelähmt stand sie da.
    Erst Akitus scharfe, befehlende Stimme riss sie aus ihrer Erstarrung. „Zurück!“ rief er.
    Und Delia drehte sich auf dem Absatz um und wollte auf das Nachtlager zurasen.
    Aber gleichzeitig war auch Bewegung in die Bären gekommen. Voll Schrecken merkte Delia, dass sie ihr den Weg zu Akitu abschnitten. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ebenfalls die Richtung zu ändern. Sie raste auf einen anderen Teil des Waldrandes zu.
    Zum Glück waren die Eichen, die hier standen, zwar stark und hoch, aber die unteren Äste nahe genug über dem Boden, sodass Delia einen fassen und sich blitzschnell hinaufziehen konnte. Ihr Herz pumperte wie wild, als sie endlich eine gewisse Höhe erreicht hatte. Sie glaubte sich gerettet, beruhigte sich rasch wieder und blickte
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