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Delia im Wilden Westen

Delia im Wilden Westen

Titel: Delia im Wilden Westen
Autoren: Marie Louise Fischer
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voller Interesse hinunter, um zu sehen, was die Bären weiter machen würden.
    Sie sah, wie die beiden jungen Bären sich auf Akitu und den Professor stürzen wollten. Aber gerade in diesem Augenblick war es Akitu gelungen, einen dürren Zweig zum Brennen zu bringen.
    Das Feuer erschreckte die jungen Bären. Sie richteten sich hoch auf, warfen sich zur Seite und verschwanden im Urwald. Der Mops jagte ihnen mit wildem Bellen nach.
    „Professor“, rief Delia außer sich. „Hierher! Professor!“
    Aber der Mops gehorchte nicht. Anscheinend hatte das Jagdfieber ihn gepackt. Delia glaubte, sein lustiges Ringelschwänzchen zum letzten Mal gesehen zu haben. Wie konnte er auch nur so verrückt sein, zwei Bären fassen zu wollen! Sie brauchten ja nur den Spieß umzudrehen und sich auf ihn zu werfen, dann war er erledigt.
    Sie war nahe daran, in Tränen auszubrechen. Aber dann sah sie, wie die Bärenmutter gemächlich auf den Baum zutrottete, auf dem sie saß, und dieses Schauspiel lenkte sie von der Angst um ihren kleinen tollkühnen Hund ab.
    Sie hatte schon viele Geschichten über die wilden, gefährlichen Bären Nordamerikas gehört. Auf dem Einwanderertreck, mit dem sie von New York aus ins Landesinnere gezogen war, hatte man abends beim Lagerfeuer oft die unheimlichsten Schauergeschichten von ihnen zu erzählen gewusst.
    Delia hätte sie wahrscheinlich für Märchen gehalten, denn inzwischen war sie darauf gekommen, dass viele der Vorstellungen, die die Einwanderer von Land und Leuten ihrer neuen Heimat hatten, falsch gewesen waren. Aber auch die Iowanokas hatten vor keinem der wilden Tiere so viel Respekt wie vor dem Bären, und das bedeutete schon etwas.
    Dennoch fühlte Delia sich immer noch verhältnismäßig sicher. Denn in einem Punkt stimmten alle Berichte über Bären, die je an ihr Ohr gedrungen waren, überein: Sie konnten nicht klettern.
    Sie begriff deshalb gar nicht, warum Akitu so schrie und sich sichtlich bemühte, das Interesse der Bärenmutter auf sich selber zu lenken. Ohne Erfolg übrigens. Die Bärin warf zwar einmal einen flüchtigen Blick auf ihn, wandte sich dann aber gleich wieder ab. Entweder irritierte sie der brennende Ast, den Akitu immer noch in der Hand trug. Oder sie hatte für sich selber entschieden, dass Delia der saftigere Leckerbissen war.
    Die Bärin hatte jetzt die Eiche, auf der Delia saß, erreicht. Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Aber dennoch konnte sie Delia, die gerade über ihr saß, nicht erreichen.
    „Klettere höher!“ rief Akitu. „Höher hinauf, Tapferes Eichhörnchen!“
    Aber Delia verstand immer noch nicht. „Sie kommt nicht heran!“ rief sie ihrem Freund beruhigend zu.
    Doch dann geschah etwas, was sie vor Schreck beinahe hintenüber purzeln ließ: Die riesige Bärin umfasste mit beiden Vorderpranken den Stamm und begann sich hinaufzuziehen. Delia begriff, dass sie sich getäuscht hatte. Diese Bärenfrau konnte sehr wohl klettern.
    Aber ihre Verblüffung dauerte nur eine Sekunde. Dann besann sie sich darauf, dass sie ihren Indianernamen „Tapferes Eichhörnchen“ gerade ihren Kletterkünsten verdankte. Flink begann sie höher und höher zu steigen.
    Jedoch, oh Schreck, die Bärin folgte ihr langsam, aber sicher nach.
    Erst jetzt wurde Delia klar, wie sehr sie sich geirrt hatte. Sie hatte geglaubt, es mit grauen Grizzlybären zu tun zu haben, die tatsächlich nicht oder doch nur sehr mühsam klettern können. Stattdessen aber gehörte ihre Feindin zu der Familie der braunen Bären, die Kletterkünstler sind.
    Akitu unten hatte den brennenden Ast neben sich in den Boden gesteckt, seinen Bogen und den Köcher mit Pfeilen geholt. Er legte auf die Bärin an.
    „Akitu!“ schrie Delia. „Nein, lass das! Nicht, Akitu!“
    Er wusste genauso gut wie sie, dass es sinnlos war, und ließ den gespannten Bogen wieder sinken. Mit einem seiner leichten Pfeile würde er das Fell der Bärin höchstens ritzen und sie dadurch nur noch mehr in Wut bringen. Wenn er aber einen Giftpfeil auflegte, nutzte das auch nichts mehr. Das Gift führte zwar unweigerlich zum Tod, aber das Sterben dauerte schon bei einem Menschen einige Stunden — wie viel länger würde es bei dieser kräftigen Bärin dauern, bis sie erledigt war. Ihr würde immer noch Zeit genug bleiben, Delia vorher zu töten.
    Delia kletterte immer weiter die mächtige Eiche hinauf, aber nicht in wilder Flucht, sondern sie dachte nach. Wenn sie einfach nur höher kletterte, musste sie zwangsläufig einmal
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