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Deine Spuren im Sand

Deine Spuren im Sand

Titel: Deine Spuren im Sand
Autoren: Gisa Pauly
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war’s vorbei. Schon lange!
    Während des Bezahlens versuchte ich, die Kassiererin mein Gesicht nicht sehen zu lassen, und stellte mich demzufolge derart ungeschickt an, dass ich nach der Hilfe beim bargeldlosen Kauf einer Fahrkarte nun auch Hilfe beim Transport meines Tabletts benötigte. Jedenfalls kam es dem großen Blonden mit dem struppigen Bart wohl so vor, und ich ließ ihn gewähren, damit ich, während ich ihm zum Tisch folgte, ausschließlich auf meine Schuhspitzen blicken und mein Gesicht hinter einer herabfallenden Haarsträhne verbergen konnte.
    Als ich mich niedergelassen und den ersten Schluck Kaffee getrunken hatte, ließ die Angst ein wenig nach. Und als ich dann herzhaft in eine Frikadelle beißen konnte, ging es mir schon wesentlich besser. Nachdem ich die dritte verputzt hatte, kehrte sogar mein Optimismus zurück, ich konnte wieder daran glauben, dass das Glück auf meiner Seite war. Irgendwie würde ich ungeschoren auf den Autozug kommen, sicher in Westerland eintreffen und auf dem schnellsten Wege das Hotel erreichen, wo hoffentlich jemand Dienst tat, der sich keine Gedanken über die Identität eines Gastes machte.
    »Hören Sie mir eigentlich zu?«
    Erschrocken starrte ich mein Gegenüber an. Hatte er etwas gesagt? In seiner Miene jedenfalls stand eine Dringlichkeit, als hätte er mir soeben ein Geheimnis anvertraut, das bisher nur sein Psychoanalytiker kannte. Geradezu gekränkt sah er aus, schwer gekränkt.
    »Entschuldigung«, rief ich erschrocken. »Ich war ganz in Gedanken.«
    Aber wie sich dann herausstellte, hatte er mir doch nicht mehr als nur seinen Namen verraten. Das allerdings zum mindestens dritten Male! »Traum! Alex Traum!«
    Nun konnte ich sogar schon albern kichern. »Ein richtiger Traummann also!«
    Da er nicht mitlachte, musste ich annehmen, dass meine Anmerkung nicht besonders originell gewesen war. Ich entschuldigte mich hastig, fragte mich, wie oft ich mich in der letzten Stunde eigentlich schon entschuldigt hatte, dann trat die Stille ein, die mir anzeigte, dass etwas von mir erwartet wurde.
    »Und Sie?«, fragte der Traummann schließlich.
    Klar, er wollte meinen Namen wissen! Wer sich vorstellte, erwartete natürlich, dass sein Gesprächspartner ebenfalls seinen Namen nannte.
    »Lieschen«, platzte es aus mir heraus. »Müller« konnte ich gerade noch herunterschlucken. Das wäre nun wirklich zu offensichtlich gewesen. Damit hätte ich Alex, den Traummann, so tief gekränkt, wie er es nicht verdient hatte. Was mir vor zehn Minuten noch völlig egal gewesen war, wollte ich nun plötzlich nicht mehr riskieren. Eigentlich war er ja doch ganz nett, dieser Alex Traum. Und ich konnte auch nicht mehr glauben, dass seine Freundlichkeit nur Fassade war und er mir in Wirklichkeit Böses wollte.
    »Sagen Sie einfach Lieschen zu mir«, ergänzte ich also und behauptete sogar: »So nennen mich alle.«
    Zum ersten Mal sah ich ihm gerade in die Augen, ohne mir eine Haarsträhne vors Gesicht zu ziehen. Bemerkte er etwas? Veränderte sich sein Blick? Wurde aus dem flachen Interesse an einer Frau etwas Wissendes? Ein plötzliches Erkennen sogar?
    Nein, Alex Traum schien von keinem Argwohn berührt oder verunsichert zu werden. Das gab mir den Mut, mich umzusehen. An einem Tisch in unserer Nähe saß eine ältere Dame, deren Blick gleichmütig über mich hinwegging, eine junge Familie nahm überhaupt keine Notiz von mir, und das Paar im mittleren Alter, das an dem Tisch in Alex’ Rücken saß … ja, die beiden starrten mich an. Und als unsere Blicke sich trafen, zogen sie die Köpfe ein und tuschelten sich etwas zu. Heiß und feucht kroch die Angst meinen Nacken hoch. Schon sah ich mich unauffällig nach einem Fluchtweg um, da hörte ich, dass die Frau etwas von den schrecklichen Folgen einer Chemotherapie flüsterte und von den bedauernswerten Menschen, die sich einer solchen Behandlung unterziehen und dann lange Zeit mit einer hässlichen Perücke leben müssen.
    Ich entspannte mich wieder. Meine blonde Langhaarfrisur war anscheinend nicht von bester Qualität, aber immerhin doch gut genug, um meinen Typ gründlich zu verändern. Und dass ich hier mit einem Mann saß, war vielleicht genau richtig! Die mich suchten, hielten nach einer alleinreisenden Frau Ausschau! Denen würde vielleicht gar nicht auffallen, dass meine langen blonden Locken gestern noch auf einem Holzkopf gesessen hatten, den eine Maskenbildnerin in den Müll werfen wollte.
    Also schenkte ich Alex Traum das
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