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Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)

Titel: Dein totes Mädchen: Roman (German Edition)
Autoren: Alex Berg
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Erdgeschoss und lehnte sich gegen die Spiegelwand. Das Foto der Frau auf dem fehlgeleiteten Fax geisterte immer noch durch seinen Kopf, und er fragte sich, warum. Als er den vierten Stock passiert hatte, wusste er es.
    Augenblicke später stürmte er zurück in sein Büro, die spöttischen Kommentare der Kollegen ignorierend. Hastig zog er den Faxausdruck aus dem Papierkorb und betrachtete die Radaraufnahme. Sein Mund wurde trocken. Er griff nach dem anderen Blatt, fand das Kennzeichen des Wagens, suchte eine Telefonnummer aus dem Verzeichnis und wartete ungeduldig, während das Freizeichen erklang. Es war schon spät, aber er hatte Glück. Die Kollegen im dänischen Padborg, die Anfragen aus dem gesamten skandinavischen Raum annahmen, arbeiteten noch, und mit einem nervösen Gefühl in der Magengegend leitete er ihnen das Fax aus der Verkehrsaufsicht weiter. Keine zehn Minuten später hielt er die gewünschte Antwort in Händen. Er starrte auf die Buchstaben, auf den Namen, den sie formten, und ließ den Kopf in seine Hände sinken.

    Ein kurzes Klopfen an der Scheibe hinter seinem Schreibtisch schreckte ihn auf. Es war Bent. »Alles in Ordnung?«, rief der bärtige Drogenfahnder.
    »Ja«, erwiderte Ulf mechanisch. »Alles gut.«
    Bent nickte und wandte sich ab, und Ulf fuhr sich mit der Hand über die Augen. Schließlich stand er auf und trat ans Fenster, das die gesamte Gebäudefront einnahm. Aber diesmal sah er nicht die fließenden Lichter unten auf den Straßen, nicht das blinkende Flugzeug, das gerade zum Landeanflug ansetzte. Bilder schoben sich vor sein inneres Auge, Erinnerungen, die er in den vergangenen Jahrzehnten sogar sich selbst gegenüber geleugnet hatte. »Warum jetzt?«, murmelte er und presste die Stirn gegen das kalte Fensterglas. »Warum ausgerechnet jetzt?«
    *
    Es war halb vier Uhr morgens, als Stefan ihn aus der Kneipe schmiss. »Hör zu, Ulf, ich rufe dir ein Taxi.«
    Ulf winkte ab. Er war zu betrunken, um noch etwas zu sagen. Er torkelte auf die Straße hinaus, blinzelte in das Licht eines vorbeifahrenden Autos und lehnte sich an eine Hauswand. Nicht nach Hause. Die drei Worte hatten sich in seinem Kopf festgesetzt, aber sie ergaben keinen Sinn für ihn. Es musste einen Grund geben, warum er nicht nach Hause durfte, doch er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern. Aber wohin sollte er jetzt gehen? Während er noch darüber nachdachte, wurde ihm schlecht. In einem Schwall erbrach er sich auf den Gehsteig.
    Irgendwo über ihm ging ein Fenster auf. »Verschwinde, du Penner!«
    Ein weiteres Auto fuhr vorbei. Ulf würgte erneut. Es musste an der kalten Luft liegen. Ihm war, als würgte er sich die Seele aus dem Leib, aber als es vorbei war, schien auch sein Kopf klarer. Mit zitternden Fingern tastete er in seiner Jackentasche nach einem Papiertaschentuch, um sich den Mund abzuwischen. Dann erkannte er das Gebäude des Polizeipräsidiums, das keine zweihundert Meter entfernt auf der anderen Straßenseite lag.
    Der Nachtportier wollte ihn zunächst nicht hereinlassen. »Du bist völlig betrunken«, sagte er. »Fahr nach Hause. Ich rufe dir ein Taxi.«
    Ulf schüttelte den Kopf. »Keine Heizung«, brachte er lallend hervor. Er war selbst erstaunt, dass es ihm wieder eingefallen war.
    Der Nachtportier räusperte sich. »Na, dann, wenn es unbedingt sein muss …« Er war ein hagerer, ernsthafter Mann kurz vor der Pensionierung. Er half Ulf in den Fahrstuhl und drückte die Taste für den achten Stock.

    Oben war alles hell erleuchtet. Ulf kniff die Augen zusammen und schlängelte sich zwischen den Schreibtischen hindurch zu seinem Büro. Keiner der wenigen Anwesenden sagte etwas, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war. Er schaffte es noch, seine Jacke auszuziehen und zu einem Kopfkissen zusammenzuknüllen, bevor er sich auf den Boden neben seinen Schreibtisch legte. Er war sofort eingeschlafen.
    *
    Das Erste, was er beim Aufwachen spürte, war sein schmerzender Kopf, und er stöhnte unwillkürlich auf, als er gegen etwas Hartes stieß. Vor ihm stand sein Kollege Håkan Bergström. Er war ebenso großgewachsen wie Ulf, doch durch seine schwere Statur wirkte Håkan eher bedächtig, gemütlich fast, weswegen er gern unterschätzt wurde. Er hielt Ulf ein Glas mit einer sprudelnden Flüssigkeit entgegen. Der Anblick allein genügte, um Ulfs Magen rebellieren zu lassen. »Bitte …«, stieß er hervor und machte eine abwehrende Handbewegung, aber Håkan kannte kein Erbarmen. »Du bist
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