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Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)

Titel: Dein göttliches Herz versteinert (German Edition)
Autoren: Kelly Keaton
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runden Augen.
    »Meine Haare?« Sie nickte. »Ja, die sind echt.«
    Ich hatte meine Haare so lange gehasst, dass es mir schwerfiel, sie so zu sehen wie andere – ein glänzender weißer Vorhang, der mir bis zur Taille ging. Ich hatte sie schon deshalb gehasst, weil sie Aufmerksamkeit erregten, und wenn man ein Kind war, das von Pflegeeltern zu Pflegeeltern weitergereicht wird, ist es manchmal besser, sich verstecken zu können und nicht aufzufallen, um –
    Ich verdrängte diese Gedanken und bedachte das Mädchen im Spiegel mit einem gequälten Lächeln. Dann widmete ich mich wieder meinem Zopf, während ich zu dem Schluss kam, dass die ganze Scheiße, die mir als Kind passiert war, vermutlich auch dann passiert wäre, wenn meine Haare anders ausgesehen hätten. Vielleicht war ich ja einfach nur deshalb misshandelt worden, weil ich da gewesen war, gerade verfügbar und wehrlos.
    »Stimmt es? Bist du wirklich eine Gottesmörderin?«, fragte das Mädchen ängstlich.
    Ich flocht den ersten Zopf zu Ende und machte dann mit der anderen Seite weiter. Ich wusste, warum sie fragte. Vermutlich hatten sämtliche Schüler und Studenten Angst davor, dass ich meine Schlangen auspacken und sie alle in Stein verwandeln würde. Es gefiel mir nicht, im Mittelpunkt zu stehen, und noch viel weniger gefiel es mir, wenn der Grund dafür Angst war.
    Da es mir irgendwie peinlich war, ich aber gleichzeitig das Mädchen beruhigen wollte, sagte ich das Dümmste, was mir gerade einfiel: »Bin ich. Und ich setze meine Kräfte nur dafür ein, Gutes zu tun.« Ich nickte in Richtung der Kabinen, während mir das Blut in die Wangen schoss. »Wenn du mal musst, gehst du jetzt besser.«
    Sie blinzelte, erwachte aus ihrer Starre und verschwand schnell in einer der Kabinen. Mein Spiegelbild verdrehte die Augen angesichts der Lüge, die ich ihr erzählt hatte. Es war viel komplizierter. Ich hatte vor, meine Macht zur Selbstjustiz zu benutzen, ich wollte mich rächen. Und ich war mir nicht so sicher, ob dieses Vorhaben in die Kategorie »Gutes« fiel oder nicht.
    Nachdem ich die Zöpfe geflochten hatte, drehte ich sie mit dem Rest meiner Haare zusammen zu einem festen Knoten und schlang das schwarze Band von meinem Handgelenk darum. Und dann ging ich in die Behindertenkabine, um mich umzuziehen.

Sechs
    D u bist früh dran.«
    Ich ließ die Tür zum Kerker hinter mir zufallen und begrüßte Bran mit einem Schulterzucken. »Ich bin so weit.« Ehrlich gesagt war es mir sogar lieber, von ihm fertiggemacht zu werden, als mich noch einmal so verzweifelt und hilflos zu fühlen wie gerade auf der Toilette. Ein gutes Training half mir immer, wieder auf andere Gedanken zu kommen, selbst wenn es nicht ohne ein paar Beulen und blaue Flecke für mich ausgehen sollte.
    Ich ließ meinen Rucksack neben der Tür fallen, ging in die Mitte des Raums und setzte mich auf den Boden, um mich zu dehnen. Es dauerte keine Minute, bis Brans Schatten auf mich fiel. Ich hob den Kopf. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mit grimmigem Gesichtsausdruck auf mich herunter. »Wenigstens hast du dich dieses Mal etwas passender angezogen.«
    »Ich hab die Sachen mitgebracht.« Die weite Cargohose und das Sporttop waren zwar schon ziemlich alt, aber die bequemste Trainingskleidung, die ich hatte.
    »Steh auf.«
    Ich rappelte mich auf, ließ meine Fingerknöchel knacken und bedachte ihn mit einem rotzfrechen Lächeln, das er mit Sicherheit zu schätzen wusste. »Soll ich Ihnen heute mal in den Hintern treten, Ramsey?«
    Auf seinem Gesicht machte sich ein Grinsen breit. »Versuch’s mal, Schneewittchen.«
    »Schneewittchen hat schwarze Haare. Bei Disney-Filmen haben Sie noch was aufzuholen.«
    Das war der Anfang von dreißig Minuten schonungslosem Training. Bran wollte, dass ich mich gegen alle möglichen Angriffe zur Wehr setzen konnte – schließlich konnte ich meine Macht ja schlecht einsetzen, wenn es Athenes Schergen oder ihren Jägern vorher gelang, mich zu töten. Das gehörte alles zum Training, sagte er. Schlag-, Tritt-, Stoß- und Blocktechniken. Angriff. Verteidigung. Lernen, wie ich die Körperteile meines Gegners so verbog, dass er von mir abließ.
    Dann war das Schwerttraining an der Reihe.
    Ich war so fertig, dass ich kaum mehr atmen konnte; Hand, Handgelenk und Unterarm brannten vor Anstrengung und den ständigen Erschütterungen von Stahl, der auf Stahl traf. Bran warf sein Trainingsschwert hinter sich, sodass es über den Boden schlitterte und die Wand
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