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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht
Autoren: Tami Hoag
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sich vor Ekel. »Schau dir das an! O Gott!« Er duckte sich zur Tür raus. Boog kicherte und wandte sich wieder den Nachrichten zu. Der Typ in der nächsten Zelle schaute sie sich ebenfalls an. Er war unheimlich, saß den ganzen Tag bloß rum und sagte nichts, immer mit derselben steinernen Miene. Boog hatte ihn ein paarmal dabei erwischt, wie er ihn anstarrte, als wäre er ein Insekt unter dem Mikroskop.

    »He, das bist doch du, über den die da reden, stimmt’s? Du bist der, der den kleinen Kirkwood entführt hat. Das ist krank«, erklärte Boog und schob sein knochiges Kinn vor. »Du bist ja krank.«
    Garrett Wright sagte nichts.
    »He, weißt du, was mit dem letzten Typen passiert ist, den sie hierhergebracht haben? Sie haben gesagt, er war’s, ham ihn genau in die Zelle gesteckt, in der du jetzt sitzt. Weißt du, was er getan hat? Er hat sich sein Glasauge aus dem Kopf geholt und sich damit umgebracht. Ich glaub, der war irre. Jeder, der so was macht, muß irre sein.« Er kniff den Mund zusammen und kratzte an seinen fettigen Haaren, überlegte noch ein bißchen. »Du mußt auch übergeschnappt sein«, entschied er schließlich.
    Wrights Mundwinkel zuckten. »Ich lehre Psychologie am Harris College.«
    Boog machte ein obszönes Geräusch, um seine Meinung über Collegeleute kundzutun. Im Fernsehen zeigten sie jetzt Cops und Typen aus dem Labor, die aus einem schicken Haus in Lakeside ein und aus trabten – Wrights Haus. Eine hübsche Frau mit dunkelblonden Haaren stand neben der Haustür und heulte wie ein Schloßhund.
    »He.« Boog warf noch einen Blick auf Wright. »Was hast du mit dem Kind gemacht? Hast du’s umgebracht, oder was?« Garrett Wright grinste diabolisch. »Oder was.«

TAG 14 Mitternacht, -11 Grad
    Hannah erwachte mit einem Ruck aus unruhigem Schlaf. Allein das Daliegen löste irgendein internes Alarmsystem aus, so daß sie übersensibel war und beim leisesten Geräusch oder bei der leisesten Bewegung hochschreckte. Sie lag in der Mitte des großen Betts, starrte hinauf zu dem schwarzen Viereck des Oberlichts in die Januarnacht, horchte, wartete, jede Muskelfaser zum Zerreißen gespannt. Nichts. Das Haus schwieg. Die Nacht war stumm. Selbst der Wind, der tagelang gnadenlos kalt und scharf wie ein Eispickel gebraust war, hielt den Atem an, während ein Tag verging und der nächste mit einem Ticken der Uhr begann: 00 Uhr 01.
    Ein neuer Tag. Ein weiterer Tag, den es durchzustehen galt. Weitere vierundzwanzig Stunden voller ziellosem Herumwandern, dem Versuch
zu funktionieren, so zu tun, als wäre man ein normaler Mensch, ganz wie eh und je, statt dessen schauspielerte sie nur noch. An ihrem Leben und ihrer Person war nichts mehr wie früher. Sie würde diesen Tag überstehen und den nächsten und den danach, um ihrer selbst, um Lilys … und Joshs willen.
    Er ist irgendwo, wo es warm ist … er hat keine Angst … er weiß, daß ich ihn liebhabe …
    Sie war schon aus dem Bett, bevor ihr Bewußtsein das Geräusch registrierte. Ihre bloßen Füße klatschten auf den Teppich. Sie packte den alten Bademantel, den Paul abgelegt hatte. Es war die Türglocke – um Mitternacht – jetzt zehn nach! Ihr Herz hämmerte bis zum Hals. Alles mögliche schoß ihr durch den Kopf: Paul auf der Suche nach Vergebung, Mitch, der eine Nachricht brachte – gut? schlecht?
    Mit einer Hand drückte sie den Schalter für das Verandalicht. Während sie mit der anderen krampfhaft den Bademantel zusammenraffte, über ihrem Herzen. Wieder ertönte die Glocke, ihr Auge wanderte zum Spion.
    »O mein Gott.«
    Die Worte waren nur ein ersticktes Röcheln. Josh stand auf der Schwelle, wartete.
    Im nächsten Augenblick kniete Hannah auf dem kalten Beton. Sie zog ihren Sohn in die Arme, preßte ihn an sich, weinte, dankte Gott, küßte Joshs Wange, küßte sein Haar, sagte unaufhörlich seinen Namen. Sie spürte weder die Kälte noch den rauhen Boden unter ihren Knien, fühlte nur grenzenloses Glück und Freude über den kleinen Körper des Kindes in ihren Armen. Die Erleichterung war so ungeheuer, daß sie Angst bekam, es könnte ein Traum sein. Aber auch wenn es einer war, würde sie ihn ganz bestimmt nie mehr loslassen. Sie würde auf dieser Treppe bleiben und ihn an sich klammern, seine Wärme fühlen, seinen Geruch einatmen bis in alle Zeiten.
    »O Josh, o mein Gott«, flüsterte sie, und die zittrigen Worte mischten sich mit dem Salz der Tränen auf ihren Lippen. »Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Ich liebe dich.
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