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Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Decker & Lazarus 09 - Totengebet

Titel: Decker & Lazarus 09 - Totengebet
Autoren: Faye Kellerman
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die geringste.«
    »Ging Ihr Vater oft ins Tracadero’s?«
    »Nur zu besonderen Gelegenheiten. Zum Beispiel wenn wir Geburtstag hatten. Mein Vater isst gerne gut.« Michael biss sich auf die Lippe. »Meistens aß er im Krankenhaus. Da hat er ja praktisch gewohnt.«
    »War wohl nicht oft zu Hause, Ihr Vater, oder?«
    »Fast nie. Eigentlich nur sonntags.«
    »Ist Ihre Mutter ein nervöser Typ?«
    »Nein, überhaupt nicht.« Michael wirkte angespannt. »Weshalb fragen Sie?«
    »Weil Sie Beruhigungsmittel im Haus haben. Ich habe den Eindruck, sie ist daran gewöhnt.«
    »Oh … sie nimmt es nur gelegentlich … Damit sie schlafen kann. Normalerweise ist sie voller Energie. Die Frau ist unermüdlich. Dad war nie zu Hause, während wir groß geworden sind. Sie hat uns praktisch allein aufgezogen. Deshalb braucht sie Beruhigungsmittel … Sie ist so voller Tatendrang. Wenn sie das Zeug nicht nimmt, kann sie nicht schlafen.«
    Ist das nicht eher ein Zeichen von Angst, Junge? Doch das sagte Decker nicht, sondern nickte nur verständnisvoll. Es war immer wieder erstaunlich, wie der Mensch Unbequemes verdrängte. Er sah auf die Uhr. »Ich muss jetzt Ihren Bruder abholen. Kommen Sie allein zurecht?«
    »Ja … Ich bin … Ja, ich bin okay. Sagen Sie nur Bram … so schnell er kann.« Michael sah aus wie seekrank. »Ich meine, richten Sie ihm aus, es sei alles unter Kontrolle … aber wenn’s möglich ist, soll er …«
    »Ich sag’s ihm.« Decker musterte den Studenten. Er mühte sich offenbar verzweifelt, in einem Meer von Schock und Trauer Oberwasser zu behalten. »Sind Sie sicher, dass hier alles okay ist?«
    »Ja«, beharrte Michael. »Ja, ich schaff das schon. Danke, Lieutenant. Danke für … Ich weiß auch nicht, wofür ich Ihnen danke … Ziemlich kopflos von mir. Bitte sagen Sie Bram, er soll sich beeilen.«
    »Hängt wohl viel von ihm ab in der Familie, was? Er kümmert sich um alles.«
    Michael wischte Tränen aus den Augen. »Bram kümmert sich um die ganze Welt.«

4
    Eindrucksvoll in der Größe und neugotisch im Stil hätte die Kirche des heiligen Thomas durchaus auch an den Ufern der Themse stehen können. Der Bau war besonders auffällig, da die im West Valley vorherrschende Architektur sich auf barackenartig aufgebaute Einkaufsmeilen und typische Amerikanische Einkaufszentren beschränkte. Natürlich gab es ein paar luxuriöse Wohnungsbauprojekte. Aber die überwiegende Mehrheit der Häuser im Bezirk Devonshire waren einstöckige Häuser im Ranchstil – drei Schlafzimmer, zwei Bäder, bescheiden und preiswert im Unterhalt. Der Kirchturm von St. Thomas ragte daher weit über die Nachbargebäude hinaus, beherrschte die Umgebung fast wie ein Wachturm.
    Als Decker den Wagen vor der Haupttreppe am Bordstein anhielt, kam ein hagerer Mann in Jeans, schwarzem Kordjackett, schwarzem Hemd und Joggingschuhen die Stufen herunter. Aus der Nähe erkannte Decker schließlich den Priesterkragen. Der Mann spähte durchs Autofenster.
    »Lieutenant?«
    Decker nickte und öffnete die Beifahrertür.
    Der Priester stieg ein und zog die Tür zu. Mit einem flüchtigen Blick auf Decker befestigte er den Sicherheitsgurt. Decker sah die grauen Strähnen an den Schläfen, die gerunzelte Stirn. Bram Sparks hatte ein gutes, fast schönes Männergesicht. In Satin und Spitze hätte er einem Gainsborough entsprungen sein können. Bis auf die Augen, hieß das. Die waren zu wachsam, zu intelligent für einen adeligen Dandy.
    »Tut mir Leid, dass wir uns unter diesen Umständen kennen lernen, Pater.«
    Der Priester nickte. »Wie geht es meiner Mutter?«
    »Den Umständen entsprechend … ganz ordentlich.« Decker reihte sich in den Verkehr ein. »Michael wartet ungeduldig auf Sie.«
    Bram strich sich die Locken aus der Stirn. Sein Haar war nicht mehr so lange wie auf den Fotos, aber es reichte noch immer bis knapp auf die Schultern. Wie die Patres aus Deckers Kindheit in Südkalifornien sah er jedenfalls nicht aus. Die Zeiten hatten sich geändert. Die Priester auch.
    »Ich habe alle Geschwister erreicht. Bis auf meinen Bruder Paul. Mein Schwager versucht es jetzt weiter. Kann ich von hier aus telefonieren?«
    Decker griff nach dem Mikro und fragte nach der Nummer. Der Priester nannte sie ihm. Kurz darauf ertönte eine ärgerliche Männerstimme aus dem Funkwellensalat.
    »Hallo, ich bin’s noch mal«, sagte Bram. »Paul schon erreicht?«
    »Vor zwei Sekunden. Bist du zu Hause?«
    »Nein, ich bin …«
    »Du musst unbedingt nach Hause fahren.
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