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Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Deadwood - Dexter, P: Deadwood

Titel: Deadwood - Dexter, P: Deadwood
Autoren: Pete Dexter
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ihrem Zimmer im Arm gehalten hatte. Er spürte sie in seinem Herzen, ihr Geist war ihm so vertraut wie der von Bill.
    McLintock fand einen Stock und stieß damit behutsam gegen Bills Arm. Charley machte keine Anstalten, ihn davon abzuhalten. McLintock stupste die Schulter an, die Beine, den Bauch. Als er aufblickte, sah er leicht beunruhigt aus. »Er ist versteinert«, sagte er. »Er ist steinhart versteinert.«
    Schoenfield nahm ihm den Stock aus der Hand – McLintock gab ihn nicht ungern her – und klopfte ebenfalls den Leichnam ab. Aber so ungestüm, dass der Stock durchbrach. Charley und der Schwachkopf schauten vom Wagen aus zu und hingen ihren eigenen Gedanken nach.
    »Berühr ihn«, sagte Schoenfield.
    »Ich berühr gar nichts«, erwiderte McLintock.
    »Er ist eine Statue«, sagte der Schwachkopf zu Charley.
    Charley dachte an Agnes.
    McLintock beugte sich über den Leichnam. »Er riecht überhaupt nicht«, sagte er.
    Der Schwachkopf sah Charley an. »Ich hab’s ja gesagt«, sagte er.
    Charley gab keine Antwort. Er spürte, wie Agnes ihm keine Ruhe ließ, und irgendwie war er nicht überrascht, dass die Ursache dafür jetzt ans Licht trat, makellos und klar, wie ein Diamant, der drei Jahre in der Dunkelheit verborgen war.
    »Es ist nicht Bill«, flüsterte der Schwachkopf, und es klang wie die Stimme in Charleys Kopf. »Es ist ein Andenken, das die Engel zurückgelassen haben.«
    Solomon Star schoss zum zweiten Mal auf Tan You-chau an der Ecke Main und Wall Street, gegenüber dem neu errichteten Bullock Hotel. Es war der 24. September 1879.
    Seth Bullock saß zu dem Zeitpunkt im Speiseraum seines Hotels, und als er die Schüsse hörte, hielt er den
Cheyenne Leader
or sein Gesicht, um nicht erkannt zu werden. Auch wenn er sein Amt an John Manning übergeben hatte, musste er der Stadt erst noch die Gewohnheit austreiben, dass er das Gesetz vertrete. Es gab keinen Notfall, egal welcher Tragweite – von bakteriellen Hautentzündungen bei Maultieren bis hin zu Bergleuten, die nicht arbeiten wollten –, zu deren Abhilfe er nicht gerufen wurde.
    Und wenn man ihn erst einmal gefunden hatte, sagte Seth Bullock nicht Nein. Seine Motive waren jetzt politischer Natur. Er war westlich des Flusses ein berühmter Mann, und das würde er nicht gefährden, indem er es ablehnte zu helfen. Er hoffte nur, dass er es nicht gefährden würde, indem er angeschossen wurde.
    Und so kam es, dass er sich auf seinem Stuhl klein machte und die Zeitung vors Gesicht hielt, als er die Schüsse auf der Straße hörte. Er hatte gerade einen Artikel über das Telefonnetz gelesen, das im November in Deadwood installiert werden sollte, das einzige zwischen Chicago und San Francisco.
    Es war die Köchin, die ihn fand. Er hatte Lucretia Marchbanks vom
Grand Union
abgeworben und nahm seitdem alle Mahlzeiten im Hotel ein. Sie kam in den Speiseraum, langsam und mit schweren Schritten, und steuerte direkt auf seinen Tisch zu. Sie wusste immer, wo er war. »Sie kommen besser mit auf die Straße und sehen sich das an«, sagte sie. »Mr. Star hat schon wieder auf diesen Chinesen geschossen.«
    Bullock legte die Zeitung auf den Tisch und sah sie an, um sich zu vergewissern, dass er richtig verstanden hatte. Er hatte immer Schwierigkeiten, die Neger zu verstehen. Aber er behandelte sie höflich. »Wie bitte?«
    »Mr. Star hat schon wieder den Chinesen angeschossen«, sagte sie. »Er hat nicht mehr als zwei Schuss in dieser kleinen Waffe gehabt, sonst hätte er noch öfter auf ihn geschossen.«
    Bullock fand Solomon auf der Straße mit einer leeren Derringer in der Hand. Auf der Veranda von
Ayers & Wardman’s Hardware Store
klebte Blut, aber der Sohn des Himmels war fort. Solomon starrte nach Norden, in Richtung Chinatown. Eine Frau in dem Geschäft kreischte immer wieder: »Mord! Mord!«
    Bullock nahm Solomon die Waffe aus der Hand. »Wo ist das Opfer?« fragte er.
    Die Köchin war Bullock aus dem Hotel gefolgt. »Der ist da lang weggelaufen«, sagte sie und zeigte nach Norden. »Hat dabei diese Chinesensprache gesprochen, so schnell er konnte.« Bullock nahm Solomon am Arm und führte ihn in die entgegengesetzte Richtung, zum Gefängnis. Solomon hätte auch in Boston sein können, so wenig kümmerte es ihn.
    Mrs. Ellsner kam aus ihrer Bäckerei, hinter ihr ein Dutzend Damen. Bullock fragte sich, irgendwo im Hinterkopf, was sie alle da drinnen machten. In Mrs. Ellsners Bäckerei befand sich immer ein Dutzend Ladys. Eine von ihnen rief ihm etwas
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