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Deadline 24

Deadline 24

Titel: Deadline 24
Autoren: A John
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begeisterte Frühaufsteherin, wenn sie gedurft hätte, wäre sie an keinem Tag ihres Lebens vor Mittag aus dem Bett gekrochen. Dennoch musste sie zugeben, dass die frühen Morgenstunden, wenn die Sonne noch nicht so unbarmherzig brannte, die schönsten des Tages waren. Am meisten allerdings liebte Sally die Wintermorgen. Dann hingen die Wolken oft tief und hüllten das Land in graue Schleier. Man sah das Kuppelgitter nicht und konnte sich einbilden, es gebe gar keines, draußen lauerten keine Hybride und man sei frei zu gehen, wohin man wolle, so wie die Menschen früher, vor sehr langer Zeit.
    Angeblich war damals alles besser gewesen, das Leben war reicher, sicherer, und es hatte sehr viel mehr Menschen gegeben, Tausende mehr, viele Tausende. Sally jedoch hatte ihre Zweifel an dieser Geschichte. Bestimmt war sie nur eine Legende wie die vom Paradies mit Adam und Eva. Wohin sollten sie denn verschwunden sein, die Tausende von Menschen? Hier im Ödland waren sie jedenfalls nicht und auch nicht an der Küste. Dort gab es nur eine einzige Stadt, ihr Name war Esperanza. Sicher, Esperanza war groß, dort lebten bestimmt über tausend Leute, aber nicht Tausende, schon gar nicht Hunderttausende oder sogar mehr. Und sonst wo auf der Erde? Unwahrscheinlich, dachte Sally, dann hätte man doch mal von ihnen gehört, die hätten sich doch irgendwann gemeldet.
    Schließlich gab es Funk und manchmal funktionierte er sogar. Wenn er heute Abend funktionierte, würde sie sich das Mikro nicht wieder von Paul wegschnappen lassen. Sie würde sich höchstpersönlich bei den anderen Farmen nach diesem Flugdings erkundigen. Auf Paul war in dieser Beziehung kein Verlass, auch wenn er die Idee gehabt hatte. Sowie er Monnias Stimme hörte, verlor er sein letztes bisschen Verstand und brabbelte bloß noch schmalziges Liebeszeug. Völlig übertrieben, er würde sie ohnehin heiraten, dann konnte er sie von morgens bis nachts bebrabbeln, seine schöne Monnia mit dem schwarzen Haar und der Wahnsinnsfigur.
    Sally hatte Monnia seit zwei Jahren nicht mehr gesehen, doch sie wusste, dass sie schön war, weil jedermann es betonte. Sie selbst war vermutlich nicht schön. Logisch, wenn man bedachte, dass sie in allem das genaue Gegenteil von Monnia war, blond, grauäugig und dünn, nichts mit Wahnsinnsfigur. Wennschon, dachte sie trotzig. Dann war sie eben hässlich. Heiraten würde sie sowieso nie, dazu hatte sie keine Lust. Schon gar nicht, wenn ein Mann sie nur haben wollte, weil sie eine Hayden war. Die Hayden-Farm war eine der größten und ertragreichsten des ganzen Ödlands und dank ihrer aller Wachsamkeit beschützt von einer stabilen Kuppel.
    Apropos Kuppel, was tat sie hier eigentlich? Ihre Absicht war gewesen, zu den Ziegen zu gehen, wie sie es jeden Morgen tat, doch sie hatte bereits den Steg über den Brandgraben überquert und näherte sich dem westlichen Gitter, Vigos Abschnitt, jedenfalls bis gestern. Also war sie am Pferch vorbeigelaufen. Merkwürdig! Nicht die Tatsache, dass sie vorbeigelaufen war, das konnte schon mal passieren. Merkwürdig war, dass die Ziegen ihr nicht freudig meckernd entgegengesprungen waren wie sonst immer. Sally schaute zum Pferch zurück, der still und verwaist unter der Morgensonne lag. Nicht eine Ziege zeigte sich. Die ganze Herde drängte sich also noch im Stall, mucksmäuschenstill. Was war hier los?
    Sie tat ein paar weitere, sehr leise Schritte in Richtung Gitter. Schräg links vor ihr türmte sich ein Haufen Zweige und Blätter, die sie gestern vom Brotbaum abgeschnitten und zum Verbrennen über den Graben geschleppt hatten. Daneben strahlte etwas weiß in der Sonne. Wie magisch wurde Sally von diesem Weiß angezogen, ein schrecklicher Verdacht stieg in ihr auf – bitte mach, dass es nicht stimmt, aber es stimmte doch. Ein Schweber lag auf der Erde, und er war zerborsten, tot! Sofort war ihr klar, was geschehen war: Vigo hatte gehofft, seine Nachlässigkeit noch vertuschen zu können, hatte einen der Schweber genommen und war damit losgedüst, obwohl er ganz genau wusste, dass man das so früh am Morgen nicht durfte, weil sie noch nicht aufgeladen waren. Dann war geschehen, was geschehen musste, der Schweber hatte sich ganz und gar verbraucht, war abgestürzt und beim Aufschlag zerborsten. Ein unersetzlicher Verlust. Niemand wusste, wo die Schweber herkamen, es gab sie nirgends zu kaufen. Die wenigen, die man hatte, musste man hüten wie seine Augäpfel. Dieser Mistkerl, dieser unausstehlich faule …
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