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Deadline 24

Deadline 24

Titel: Deadline 24
Autoren: A John
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Sally fühlte nichts als mörderische, kalte Wut. Sie konnte nicht denken, nicht atmen, sich nicht bewegen, für den Bruchteil eines Augenblicks war sie wie gelähmt vor Wut. Das rettete ihr vermutlich das Leben.
    Da war eine Bewegung hinter den aufgehäuften Zweigen, eine fließende, eigenartig verschwommene Bewegung, als ob der Hintergrund des Kuppelgitters sich wabernd vorstülpte. Sally kannte diese Bewegung, jeder Ödlandbewohner kannte sie. Es gab einen Trick, man musste die Augen loslassen, so tun, als würde man vorbeigucken, dann erkannte man sie, schemenhaft und doch deutlicher, als einem lieb sein konnte.
    Ein Hybrid hockte hinter dem Haufen Zweige. Nur der dreieckige Schädel und der schlangenartige Hals waren zu sehen, wenn er ihn reckte, um sich umzuschauen, und die lange Schnauze, die sich kauend bewegte. Fleisch- und Hautfetzen hingen zwischen den messerscharfen Reißzähnen. Er fraß etwas, das hinter dem Haufen lag und Beine hatte, menschliche Beine in blutigen, schmutzig blauen Arbeitshosen, die Füße noch in Stiefeln. Er fraß Vigo.
    Sally fiel nicht in Ohnmacht, sie versteinerte. Aber tief in ihr drin schlug ihr Herz ganz schnell, ganz schnell, und in ihrem Kopf raste der Satz, den ihre Mutter eben gesagt hatte, immerzu, immer derselbe – alleswirdgut, alleswirdgut. Ewig stand sie so da, in Wirklichkeit nur wenige Sekunden, und doch schien es ewig zu dauern, bis es ihr endlich gelang, den Blick von der fressenden Bestie zu lösen und nach oben zu schauen.
    Ein Loch war im Gitter der Kuppel, ein Riesenloch, ausgefranste Drahtstücke baumelten nach unten. Dort hat er sich festgeklammert, als der Schweber unter ihm wegsackte, dachte sie, aber der Draht war brüchig, er konnte Vigos Gewicht nicht tragen und riss immer weiter auf. Vielleicht ist er dann gefallen, vielleicht ist der Hybrid gekommen und hat ihn abgepflückt wie eine reife Tomate. Und wir haben nichts gemerkt, haben Eierkuchen gemampft und Mutters Visionen gelauscht. Alleswirdgut. Alleswirdgut. Woistseinwerkzeug? Wo ist sein verdammtes Werkzeug?
    Er hatte etwas reparieren wollen, dazu hatte er Werkzeug gebraucht, Ersatzdraht, einen Schweißer. Wo ist der verdammte Schweißer? Mit den Augen suchte sie den Boden ab. Da lag er, nicht weit von ihr auf einem Haufen verwelkter Blätter.
    Gut, die haben seinen Aufschlag gedämpft, bestimmt funktioniert er noch. Jetzt bloß keine schnelle Bewegung, kein Geräusch, das Mistvieh darf sich nicht bedroht fühlen oder denken, ich will ihm die Beute stehlen.
    Langsam, unendlich langsam, millimeterweise ging Sally in die Hocke. Schweiß rann ihr in Strömen über die Stirn, ihre Hände zuckten schon, doch sie widerstand der Versuchung, ihn abzuwischen. Träge streiften sie die Reptilienaugen des Hybriden. Er war nicht interessiert, er hatte ja schon was zu fressen. Sally tastete über den Boden. Mist, der Schweißer lag zu weit weg, sie konnte ihn nicht erreichen. Sie schob sich näher, indem sie sich auf den Fußballen drehte, dehnte den Arm bis zum Zerreißen und endlich fühlten ihre Hände das sonnenwarme Metall. Jetzt brat ich dich! Ich brat mir einen Hybriden, hoffentlich hat die Patrone noch Saft, dachte sie, als eine Ahnung sie streifte wie ein Schatten. Oder vielleicht war es auch umgekehrt, ein Schatten brachte ihr in Erinnerung, was jeder weiß: Hybride jagen nicht allein. Manchmal schicken sie einen Kundschafter vor, aber immer sind die anderen in der Nähe. Sie schaute nach oben, blinzelte auf diese besondere Weise: Zwei der Scheusale kauerten am Loch, machten die Hälse lang und spähten hinunter. Und über ihnen waberte der Himmel. Bestimmt hundert kreisten über dem Loch in der Kuppel, ein Hybrid war schon drin, zwei weitere so gut wie. Sie hatten keine Chance.

Kapitel 3
    Du hast keine Chance, also nutze sie, sagt eine blöde Redewendung, deren Sinn Sally nie begriffen hatte, bis zu diesem Tag. Sie wusste, es war vermutlich das Letzte, was sie in ihrem Leben tun würde, doch sie tat es. Sie sprang auf die Füße, richtete den Schweißer aus, drehte den Regler auf volle Kraft, zielte auf den Hybriden hinter dem Gezweig, der sich mit gespreizten Flügeln zu seiner ganzen Größe aufgerichtet hatte und auf sie zustürzte. Er brannte sofort, versuchte noch, mit brennenden Flügeln aufzusteigen, schaffte es nicht, taumelte, stürzte in die dürren Äste, die sogleich Feuer fingen. Na wunderbar, dachte Sally, jetzt werde ich auch noch gegrillt, bevor ich gefressen werde, als wie ein Dämon
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