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Deadline 24

Deadline 24

Titel: Deadline 24
Autoren: A John
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weitergehen. Die beiden waren einander versprochen, und jetzt, da Monnia sechzehn und Paul achtzehn war, würde die Hochzeit stattfinden, sobald die Familien eine Gelegenheit fänden, ihren Kindern eine Feier auszurichten. Sally gönnte ihnen ihr Glück, sie gönnte ihrem Bruder bloß nicht die gesamte Funkzeit. Aber da war nichts zu machen. Großvater rauchte auf der Veranda sein Pfeifchen und war offensichtlich nicht gewillt, ein Machtwort zu sprechen, und Mutter sagte sowieso selten etwas. Sie saß auf der Fensterbank, die blinden Augen geschlossen, und lauschte in den Wind, als könne sie in seinem Tosen die heiligen Erzengel mit ihren Posaunen vernehmen.
    Sally ging ins Bett, doch einschlafen konnte sie nicht, der Wind war zu laut. Er dröhnte ums Haus, fauchte in den Bäumen, sang im Kuppeldraht. Irgendwann stand sie auf und tapste zum Fenster. Staubsäulen drehten sich auf dem Hof, bläulich bleich im Mondlicht. Und während sie noch schaute, vereinigten sie sich zu einem einzigen riesenhaften, rasenden Wirbel. Der veränderte sich, zerfaserte, fügte sich wieder zusammen, bildete eine Gestalt, eine menschliche Gestalt, einen weißen, bleichen Mann aus Wind und Staub. »Schau her!«, sang der Windmann. »Schau her!«
    Mit einem heftigen Ruck riss Sally die Vorhänge zu, sprang ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
    »Nein«, wimmerte sie. »Geh weg! Ich sehe keine Geister!« Sie war nicht wie ihre Mutter. Angelina Hayden konnte in Kontakt mit der Geisterwelt treten, oder umgekehrt, die Geisterwelt mit ihr. Aber Sally konnte das nicht, noch nie hatte sie das gekonnt und sie war auch nicht erpicht darauf. »Ich bin Sally«, wiederholte sie zitternd unter ihrer Decke. »Ich sehe keine Gespenster, ich bin nur Sally.«

Kapitel 2
    Irgendwann musste sie eingeschlafen sein, denn sie erwachte in einem völlig zerstrampelten, verschwitzten Bett. Die Erinnerung an das Gespenst im Sturm, den Windmann, wie sie es voll Schaudern nannte, war zwar noch da, verblasste jedoch im hellen Morgenlicht, und Sally kam mehr und mehr zu der Überzeugung, alles bloß geträumt zu haben. Oder es war einer dieser plötzlich auftretenden Nebel gewesen, Trugnebel nannte man sie, da sie völlig verrückte Formen annehmen konnten. Doch auch das war unwahrscheinlich. Trugnebel zeigten sich nie bei Wind, schon gar nicht bei einem so starken wie letzte Nacht.
    Es war der Tag vor ihrem vierzehnten Geburtstag, er begann strahlend und windstill. Doch es sollte ein schauriger und verrückter Tag werden, der erste in einer langen Reihe von schaurigen Tagen, nach denen nichts mehr so war wie zuvor.
    Vor dem Frühstück rief Großvater alle zu einer Arbeitsbesprechung zusammen und teilte die Kuppelabschnitte neu ein. Das tat er von Zeit zu Zeit, um die eintönigen, jedoch dringend notwendigen Überwachungs- und Reparaturarbeiten wenigstens ein bisschen abwechslungsreicher zu gestalten. Normalerweise hielt er sich an einen Rhythmus von sechs bis acht Wochen, doch diesmal wich er von der gewohnten Routine ab. Paul nahm die Nachricht mit einem Achselzucken zur Kenntnis, Sally grinste. Sie wusste, warum Großvater diesen vorzeitigen Wechsel beschlossen hatte – so konnte er, ohne direktes Misstrauen zu äußern, Vigos Arbeit überprüfen. Der wurde auch sofort bleich wie die Wand.
    Er könne nicht mit der Familie frühstücken, stammelte er. Schreckliche Albträume hätten ihn gequält, die ganze Nacht hindurch, er sei völlig durcheinander, ihm sei übel, er brauche dringend frische Luft.
    Geschieht ihm recht, dachte Sally mitleidlos, als sie ihn draußen über den Hof wanken sah. Keine Millisekunde lang glaubte sie an die Geschichte von den Albträumen, aber schlecht war ihm vermutlich wirklich. Natürlich hatte er am vergangenen Abend die schadhafte Stelle nicht mehr repariert, das war ihm bei dem heftigen Wind viel zu mühsam gewesen, und so hatte er die Arbeit auf später verschoben. Blöde Entscheidung, ganz blöde, denn ab heute war Großvater persönlich für diesen Kuppelabschnitt verantwortlich, und es gab nun keine Möglichkeit mehr für Vigo, seinen Fehler zu korrigieren. Die Schweber waren so früh am Morgen nicht zu gebrauchen, sie mussten noch einige Stunden Sonnenlicht tanken, und eine solch hoch gelegene Stelle ohne Schweber zu reparieren war unmöglich.
    Später fragte sie sich oft, warum sie nicht hinter ihm hergegangen war. Selbst wenn sie es nur getan hätte, um sich an seinem Unglück zu weiden, ihn zu verspotten oder
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