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Deadline 24

Deadline 24

Titel: Deadline 24
Autoren: A John
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auszulachen, alles wäre besser gewesen, als ihn einfach ziehen zu lassen. Aber Tatsache war, dass es ihr nicht in den Sinn kam. Sie freute sich aufs Frühstück wie jeden Morgen und sie wollte sich die Freude nicht verderben lassen.
    Das Frühstück war die beste Mahlzeit des Tages. Mittags gab es nur einen kleinen Imbiss und abends waren sie meist zu müde für ein großes Essen. Aber das Frühstück war ein Fest, Mutter tischte auf, was ihre Kochkunst hergab, und das war eine Menge: Früchtemus, eingelegtes Gemüse, Eierkuchen, duftendes Fladenbrot, Würstchen und Käse. Als sie satt waren, schoben sie die Teller zur Seite, genehmigten sich ein letztes Glas Saft und wollten noch ein bisschen mit Mutter plaudern, wie sie es immer taten. Vor allem Paul und Sally liebten diese morgendlichen Gespräche mit ihr, auch wenn sie den größten Teil der Unterhaltung allein bestreiten mussten. Mutter beschränkte sich aufs Zuhören, warf höchstens hin und wieder ein »Hm« oder »Ach« ein, und wenn sie sich, was selten genug vorkam, zu einem »Tatsächlich?« hinreißen ließ, konnte dies als Gipfel der Geschwätzigkeit gewertet werden. Es gab jedoch Ausnahmen und dieser Morgen war eine davon. Angelina Hayden hob gebieterisch die Hand und sagte: »Deadline 24.«
    Das Schweigen, das sich über den Tisch senkte, wog schwerer als ein Zentner Blei. Sie kannten diese Worte, hatten sie schon einige Male gehört. »Deadline 24«, der düstere Begriff aus der Sprache ihrer Vorfahren, mit dem Mutter ihre Visionen ankündigte. Todeslinie hieß er übersetzt, das wussten sie wohl, doch was er bedeutete, konnten sie sich nicht einmal ansatzweise erklären, obwohl sie die Sprache der Ahnen immer noch beherrschten.
    Großvater fasste sich zuerst. »Was hast du erfahren, Angelina?«, fragte er rau.
    »Alles wird gut«, erwiderte Mutter. »Hilfe ist unterwegs. In einem …«, nachdenklich legte sie die Stirn in Falten, »Flugdings. Der Windmann hat es versprochen.«
    »Der …« Sallys Stimme zitterte. »Der Windmann? Wie sieht er aus?«
    Mutter schüttelte den Kopf. »Kann ihn nicht sehen. Nur hören. Und spüren. Er kommt mit dem Wind. Flüstert, wenn der Wind schwach ist. Ruft laut, wenn der Wind stark ist. Alles wird gut. Der Windmann hat es versprochen. Deadline 24.«
    Da war es wieder, das mystische Wort, jetzt als Ende der Vision oder als Ende dessen, was Mutter darüber mitzuteilen gedachte. So war sie nun mal, sie sagte, was sie zu sagen hatte, und verfiel danach wieder in ihre gewohnte Schweigsamkeit. Nicht besonders praktisch, aber nicht zu ändern. Sie erhob sich und begann, den Tisch abzuräumen. Normalerweise halfen sie ihr dabei, doch diesmal blieben die drei sitzen und musterten sich in ratlosem Schweigen.
    »Diese Visionen!«, schnaubte Großvater endlich. »Wenn ich nicht schon erlebt hätte …« Er brach ab.
    »Was meint sie mit ›Flugdings‹?«, fragte Paul. »Und wer ist der Windmann? Den hat sie noch nie erwähnt. Ich hab überhaupt nicht gewusst, dass ihre Visionen mit dem Wind zusammenhängen. Ihr etwa?«
    Großvater schüttelte den Kopf.
    »Du, Sally?«, insistierte Paul.
    »Nein«, flüsterte Sally. Sie hatte keine Lust, von der nächtlichen Erscheinung zu reden. Paul würde ihr bestimmt nicht glauben, er würde behaupten, sie wolle sich wichtig machen. Großvater würde sie vermutlich ernst nehmen, aber seine Sorgen würden dadurch nicht geringer. Im Gegenteil, er mochte keine Visionen. Schlimm genug, dass seine Schwiegertochter mit diesem »Leiden«, wie er es manchmal nannte, geschlagen war. Wenn er erfuhr, dass seine Enkelin es vielleicht geerbt hatte, würde er wieder das Gesicht verziehen und sich die Brust massieren.
    »Ein Flugdings«, brummelte er, »ist angeblich unterwegs, das alles zum Guten wendet. Was soll das heißen? Es gibt keine Flugmaschinen mehr, schon seit Jahrzehnten nicht. Der Windmann, wer immer er ist, sollte sich etwas genauer ausdrücken, wenn er mit eurer Mutter spricht.«
    »Wir könnten bei den anderen Farmen nachfragen«, schlug Paul vor.
    »Bloß nicht«, schnaubte Großvater. »Wir machen uns lächerlich, wenn wir nach einem Flugdings fragen.«
    »Aber vielleicht hat jemand etwas gesehen«, beharrte Paul.
    »Na schön«, gab Großvater nach. »Frag die anderen Farmer, wenn du dir davon etwas versprichst. Aber erst heute Abend, während der Funkstunde. Jetzt haben wir Dringenderes zu tun!« Energisch schob er den Stuhl zurück, der Arbeitstag hatte begonnen.
    Sally war keine
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