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Deadline 24

Deadline 24

Titel: Deadline 24
Autoren: A John
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während sich die mittleren mit ihrer rabenschwarzen Haut und den kahl rasierten Schädeln glichen wie ein Ei dem anderen. Doch trotz ihrer Unterschiedlichkeit war deutlich zu spüren, dass sie alle eine Einheit bildeten. Vielleicht lag es an ihrer Kleidung, die zwar verschieden in der Farbkombination, doch sämtlich aus Segeltuch gefertigt war, und an den Ledergürteln, in denen imposante Messer steckten. Oder es lag an der Art, wie sie standen, etwas breitbeinig mit leicht eingeknickten Knien, als müssten sie ein nur ihnen spürbares Schaukeln ausgleichen. Der Knabe allerdings stand anders, das Gewicht auf einem Fuß, den zweiten leicht vorgestellt.
    Die Kiste, die als Vigos Sarg diente, wurde ins frisch ausgehobene Grab gesenkt, Großvater sprach das Totengebet. Dann spielte Paul auf dem Schifferklavier das Lied von der Freundschaft und den alten Zeiten. Der Knabe sang dazu, und er sang sehr schön, mit einer ganz reinen, hohen Stimme. Paul sah ihn mit schmachtenden Augen an und alle anderen Kerle starrten ebenso. Doch bevor Sally dies allzu merkwürdig vorkommen konnte, war das Lied zu Ende und Großvater hielt die Grabrede. Er fasste sich kurz, sagte nur, dass Vigo auf der Hayden-Farm eine neue Heimat gefunden habe, die er leider viel zu früh wieder habe verlassen müssen. Mit keiner Silbe erwähnte er Vigos Nachlässigkeit, die letztlich zu seinem Tod geführt und sie alle in äußerste Lebensgefahr gebracht hatte. Sie schaufelten das Grab zu, verharrten noch ein wenig und versuchten, wie es Brauch war, sich an freundliche, angenehme Charakterzüge des Verstorbenen zu erinnern. Zum Glück tat das jeder für sich, Sally wäre sonst in große Verlegenheit geraten, denn sosehr sie sich auch bemühte, ihr fiel nichts ein. Schließlich begnügte sie sich damit, Vigo um Verzeihung zu bitten, weil sie ihn für faul gehalten hatte. Ich habe mich geirrt, sprach sie in Gedanken zu ihm, du warst nicht faul, du warst krank im Kopf. Niemand, der bei Verstand ist, lässt ein Loch in der Kuppel unrepariert, sieht einfach zu, wie es immer größer wird. Aber das war kein Wunder, wenn man bedenkt, was du erlebt hast.
    Sie erinnerte sich, wie Paul ihn in der Höhle unter der Farm, bei dem unterirdischen See gefunden hatte. Halb verhungert war Vigo gewesen und fast ganz verrückt, hatte tagelang nur vor sich hin gebrabbelt, bis es ihm endlich gelungen war, seine Geschichte zu erzählen: Zu viert hatten sie ein offenes Fahrzeug gesteuert, das letzte eines Konvois. Es fuhr nur sehr langsam, fiel immer weiter zurück, der Motor bockte und gab schließlich völlig den Geist auf. Fassungslos hatten Vigo und seine drei Gefährten zusehen müssen, wie sich die Karawane entfernte und nicht die geringsten Anstalten machte, ihnen zu helfen. Das war in der Nacht gewesen, und weil sie nicht glauben wollten, dass die anderen sie wirklich im Stich lassen würden, hatten sie wertvolle Zeit damit vergeudet, einfach nur zu warten. Dann hatten sie noch einmal Zeit verloren, als sie stundenlang an dem Fahrzeug herumbastelten, ohne Erfolg. Schließlich hatten sie eingesehen, dass sie sich zu Fuß aufmachen mussten, doch da graute schon der Morgen. Sie waren einfache Arbeiter, ohne Ortskenntnis, ohne Karten, hatten keine Ahnung, wie sie zum nächsten Relais finden sollten, zu einem dieser Zufluchtsorte, die im Abstand von Tages-, besser gesagt Nachtreisen die Routen der Händler säumten.
    Doch selbst wenn sie den Weg gekannt hätten, wäre es zu spät gewesen. Mit der aufgehenden Sonne kamen die Hybride, immer hungrig, immer auf der Suche nach Beute. Vigo als Einzigem war es gelungen, zu einem Erdloch zu sprinten und sich darin zu verkriechen. Eine ganze Nacht lang war er danach durch das Ödland geirrt, ohne Nahrung, ohne Wasser, bis er durch einen Riesenzufall einen Tunnel fand, der ihn zu den Kavernen unter der Hayden-Farm führte.
    Großvater war ausgerastet, als er diese Geschichte hörte. »Futter!«, hatte er geschrien. »Hybridenfutter! Ein abergläubisches, grausames Opferritual. Immer schon haben sie es praktiziert, die noblen Karawanenherren! Immer haben sie ein paar arme Schweine in alten, rostigen Karren ganz am Ende mitfahren lassen. Wenn diese Fahrzeuge dann liegen blieben, waren die Hybride beschäftigt und der Rest der Karawane glaubte sich in Sicherheit. Eine dumme, sinnlose Verschwendung von Menschenleben! So etwas beschwichtigt die Hybride nicht, es macht sie nur umso gieriger!«
    Kein Wunder, dass du verrückt warst, Vigo,
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