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Dead End: Thriller (German Edition)

Dead End: Thriller (German Edition)

Titel: Dead End: Thriller (German Edition)
Autoren: Sharon Bolton
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Jetzt ist noch jemand hier oben. Beide Männer sind in Bewegung, beugen sich über die Brüstung, leuchten hinunter; ihre Fußabdrücke breiten sich wie ein Spinnennetz auf dem Dach aus. Unten sind auch Leute, die zu ihnen heraufbrüllen.
    Er wird nie sehen, was für ein Gesicht sie macht, wenn sie seinem Sohn zum ersten Mal begegnet.
    Polizisten in Uniform sind auf dem Turm, sprechen in Funkgeräte, leuchten mit Taschenlampen umher, fragen, ob man noch auf einem anderen Weg vom Dach herunterkommt. Es herrscht drängende Hast, Verwirrung. Der ganze Schnee ist jetzt zertrampelt. In den Ecken haben sich Schneewehen gebildet. Das Gefühl der Dringlichkeit wird immer stärker. Funkgeräte knistern. Die Leute verschwinden rasch. Einer nach dem anderen leert sich das Dach des Turmes, bis nur noch er und einer von den Pedellen übrig sind.
    »Boss.«
    Er wird nie miterleben, wie winzige Falten um ihre Augen herum erscheinen. Wird sie niemals wegen ihres ersten grauen Haares aufziehen.
    »Mark!«
    Joesbury dreht sich zu George um, dessen Gesicht im trüben Licht aschfahl ist. »Haben sie sie gefunden?«, fragt er und hat einen Moment Zeit zu hoffen, dass ihr Gesicht nicht allzu schlimm entstellt ist, dass er sie noch ein letztes Mal wird ansehen können. Ihr vollkommenes, unversehrtes Gesicht. Und dann wird ihm klar, dass im Schnee keinerlei Fußspuren zu sehen waren, als er die Tür zum Dach geöffnet hat.
    »Nicht hier«, antwortet George. »Der Anruf war ein Täuschungsmanöver. Aber wir wissen, wo sie ist. Diesmal ganz sicher. Sie haben sie auf einen anderen Turm geschafft. Great St. Mary’s, ungefähr einen Kilometer von hier. Moment!«
    Georges Arm ist hochgezuckt, mit der Handfläche nach vorn, und hält Joesbury zurück. »Sie steht an der Brüstung«, sagte er. »Der Constable vor Ort sagt, sie sieht aus, als wäre sie vollkommen zugedröhnt, und sie droht zu springen, wenn jemand ihr zu nahe kommt.«
    »Gehen Sie mir aus dem Weg, George.«
    George tritt ein paar Schritte vor und verstellt Joesbury den Weg noch entschiedener. Er hält ein Handy hoch und reicht es ihm.
    » PC Leffingham«, sagt er. »Er ist bei ihr auf dem Turm. Viel Glück, Boss.«

84
    Ein Falke kann mit jeder seiner Tausenden von Federn Empfindungen wahrnehmen. Wenn er sich in die Luft schwingt, pulst gewiss Energie durch seine Schwingen und befeuert sein Herz. Wenn er auf einer Thermik dahingleitet, fühlt er bestimmt eine sanfte, flatternde Wärme, und wenn er auf seine Beute herabstößt, muss es sich anfühlen, als stünden die Federn auf seinem Rücken in Flammen.
    All das konnte ich jetzt spüren, hier, auf dem Gipfel der Welt, wo nichts über mir war als die Sterne.
    Und zwar Sterne, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Riesige silberne Teller, die Licht von einem zum anderen schleuderten, bis der ganze Nachthimmel aussah wie ein riesiges beleuchtetes Spinnennetz und nicht ein einziger von ihnen außer Reichweite zu sein schien.
    Ich trat einen Schritt vor und wusste, dass ich schwerelos war. Noch ein Schritt, und ich hatte den Turm beinahe hinter mir gelassen. Genug, dass es einen schwindelte, dieses plötzliche Wissen, diese verblüffende Erkenntnis, dass Fliegen ganz leicht ist. Es kommt nur darauf an, die richtigen Gedanken zu denken und daran zu glauben. Ich konnte meinen Verstand davonfliegen lassen, und mein Körper würde folgen.
    Ich bin oben, auf der Brüstung, der Wind neckt und zerrt an mir wie die Hände eines ganzen Dutzends Kinder. Komm jetzt, komm spielen.
    Dann eine Stimme. Harsch und unangenehm. Wütend fahre ich herum. Sie weicht zurück.
    Die Stadt sieht so schön aus, als hätte jemand Goldstaub über einen schwarzen Samtmantel gestreut, und ich glaube, ich gehe sie besuchen, ein letztes Mal. Ich werde mich hinunterstürzen, schneller als ein Falke, und mich im allerletzten Moment emporschwingen und wie ein Geist über die Straßen und Dächer schweben.
    »Laura! Ich komme mal ein paar Schritte näher. Nur damit wir miteinander reden können. Nein, ganz ruhig, Schätzchen. Schauen Sie, ich rühre mich nicht von der Stelle.«
    Mein Name ist nicht Laura.
    »Entschuldigung, Lacey. Man hat mir gerade gesagt, Sie heißen Lacey. Ich bin Pete. PC Leffingham. Kann ich ein bisschen näher … Okay, okay, ich bleib hier stehen.«
    Lacey? Ist das mein Name? Direkt unter mir ist ein Baum, an dem noch Blätter sind, und ich überlege, ob die wohl kitzeln werden, diese Blätter, wenn ich an ihnen vorbeigleite.
    »Lacey, ich spreche
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