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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir
Autoren: Y Woon
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Spiegeln und Bildern, die idyllische Landschaften zeigten. In der Mitte des Zimmers stand ein gewaltiges Himmelbett, übersät mit albernen kleinen Zierkissen, in das ich am liebsten gleich hineingehüpft wäre. Mit meinem Finger fuhr ich das Monogramm auf der Bettwäsche nach. L.C.W. Die Initialen meiner Mutter.
    »Dies war ihr Zimmer«, sagte mein Großvater und beobachtete, wie ich die Überbleibsel ihrer Kindheit erkundete. Die vergilbten Papiere auf ihrem Schreibtisch, die Schminkutensilien und die Haarnadeln auf dem Frisiertisch. Eine Schachtel mit Briefpapier, die unter dem Bett hervorlugte. Ein altmodischer Bücherschrank, vollgepackt mit verknickten Romanen und verblichenen Schutzumschlägen. Niemals hätte ich mir meine Mutter als Bewohnerin dieses Zimmers vorgestellt und erst recht nicht zwischen dieser Unzahl winziger Kissen. Sie war immer pragmatisch gewesen, mit einer Vorliebe für Wanderschuhe und Klamotten, die in die Waschmaschine konnten, für große, gemütliche Sofas und Dekosachen, die beim Runterfallen nicht kaputtgingen. Außer ihrem Ehering hatte ich nie ein Schmuckstück an ihr gesehen und sie schminkte sich fast nie. Mich hatte sie immer darin bestärkt, es genauso zu halten.
    »Wenn du möchtest, kannst du die Nacht in diesem Zimmer verbringen. Ich dachte, es könnte … beruhigend sein. Natürlich kann ich deine Sachen auch in eines der Gästegemächer bringen lassen, wenn es dir unrecht ist.«
    Ich fuhr herum. »Nein, ich will hierbleiben«, sagte ich schnell. Mein nahezu leerer Koffer stand in der Ecke des Zimmers.
    »Gut. Gut.« Mein Großvater führte mich zu einer kleinenTür in einer Ecke des Zimmers. »Und dies«, damit drehte er am Knauf, »war ihre Garderobe.«
    Beim Eintreten stieg mir der Geruch von Lavendelkissen in die Nase. Ich zog an der Schnur, die von der Deckenlampe baumelte.
    Bei Licht verwandelte sich die alte Vorratskammer in einen wahr gewordenen Mädchentraum – ein Ankleidezimmer, reihenweise angefüllt mit Schmuck, Schuhen und Kleidern. Schöne Kleider, in Farben und Formen, die ich noch nie gesehen hatte. Ihr bloßer Anblick erfüllte mich mit einer unerklärlichen kindlichen Aufregung und ich drang weiter vor, fuhr mit meinen Fingern an den Kleiderständern entlang, dass die Kleiderbügel klackerten. Die Stoffe schienen unter meinen Fingern zu schmelzen – Seide, Pannesamt, Wildleder, Taft, Kaschmir, feine Baumwolle. Ich musste mich innerlich ermahnen, dass ich solche Kleider eigentlich hasste. Sie waren teuer, extravagant, versnobt. Meine Eltern hatten mir immer gesagt, dass Besitztümer nichts über einen Menschen aussagten, aber jetzt konnte ich nicht anders, als sie tragen zu wollen.
    »Sie gehörten deiner Mutter, als sie in deinem Alter war. Ich glaube, sie hatte ungefähr deine Größe. Wie dem auch sei, jetzt gehören sie dir. Jedes Stück dieser Garderobe entspricht der Gottfried’schen Kleiderordnung; pack also ein, was du möchtest.«
    Ich blickte auf all die Sachen und versuchte mir vorzustellen, wie meine Mutter in meinem Alter diese Pullover, Röcke, Kleider, Riemchenschuhe und Mäntel getragen hatte. Es gelang mir nicht. Ich befühlte den Kragen eines Pullovers. Ganz weich war er.
    »So, ich lasse dich damit allein. Um halb zwei wird das Mittagessen aufgetragen.«
    Ich nickte und beobachtete im Spiegel, wie mein Großvater mit einem Abschiedsgruß das Zimmer verließ.
    Die ganze nächste Stunde lang begutachtete ich die Kleidung meiner Mutter. Sie hatte Schachteln voller Haarspangen, Ringe und Haarbänder; Schubladen, die mit seidenen Schlafanzügen, Schals, Ohrenschützern und wollenen Fäustlingen angefüllt waren. Ich dachte, dass sie vielleicht nach ihr duften würden, doch sie rochen nur nach Lavendel. Das machte es mir leichter zu vergessen, dass es ihre Sachen waren. Nur ein einzelnes braunes Haar, das an einem Pulli mit Wasserfallkragen hing, war von ihr zurückgeblieben. Ich zog es ab und musterte es im Licht. Es war länger, als ich es von ihr gewohnt war. Ich stellte sie mir in einer dieser karierten Jacken vor, die hier hingen, mit einem der Bänder in ihrem langen Haar. »Was soll ich nur tun?«, fragte ich sie mit brechender Stimme. Ich stellte im Geist noch meinen Vater an ihre Seite, mit kurzem Haar und Seitenscheitel, dazu Hemd und Krawatte, genau wie auf ihren Hochzeitsfotos. »Dad«, fragte ich in den leeren Schrank, »was soll ich jetzt machen?« Die überzähligen Kleiderbügel klimperten höhnisch in die Stille hinein. Auf
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