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Das zweite Zeichen

Titel: Das zweite Zeichen
Autoren: Ian Rankin
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Sein Schuh jedoch nicht, der Absatz flog davon. Na toll,
damit war seine Kaution für die geliehenen Sachen futsch. Jetzt mal ganz ruhig, denk nach. Jemand
hatte die Tür abgeschlossen. Also musste noch irgendjemand hier unten sein, und der einzige Ort,
wo dieser jemand sich versteckt haben könnte, war das andere Zimmer, das Zimmer neben diesem
hier. Er wandte sich wieder um und betrachtete den Spiegel gegenüber dem Bett.
»Andrews!«, brüllte er den Spiegel an. »Andrews!«
Die Stimme wurde durch die Wand gedämpft, klang fern, aber trotzdem klar.
»Hallo, Inspector Rebus. Schön, Sie zu sehen.«
Rebus hätte fast gelächelt, aber er beherrschte seine Miene.
»Ich wünschte, ich könnte das Gleiche sagen.« Er starrte in den Spiegel und stellte sich vor, wie
Andrews direkt dahinter stand und ihn beobachtete. »Eine hübsche Idee«, sagte er im Plauderton.
Er brauchte Zeit, um seine Kraft und seine Gedanken zu sammeln. »In einem Raum ficken die Leute,
während alle anderen kostenlos durch einen Spionspiegel zusehen können.«
»Kostenlos zusehen?« Die Stimme schien näher zu kommen. »Nein, nicht kostenlos, Inspector. Alles
hat seinen Preis.«
»Ich nehme an, die Kamera haben Sie auch da drüben aufgebaut, stimmt's?«
»Fotografiert und vorgeführt. Vorgeführt ist unter den gegebenen Umständen wohl ganz passend,
finden Sie nicht?«
»Erpressung.« Es war eine Feststellung, weiter nichts.
»Lediglich Gefälligkeiten, die meist ohne weitere Fragen erteilt werden. Aber ein Foto kann ein
nützliches Instrument sein, wenn Gefälligkeiten verweigert werden.«
»Deshalb hat James Carew Selbstmord begangen?«
»O nein. Das war eigentlich Ihr Werk, Inspector. James hat mir erzählt, dass Sie ihn erkannt
hätten. Er fürchtete, Sie könnten durch ihn dem Hyde's auf die Spur kommen.«
»Haben Sie ihn umgebracht?«
» Wir haben ihn umgebracht, John. Was sehr schade ist. Ich mochte James. Er war ein guter
Freund.«
»Sie haben anscheinend eine Menge Freunde.«
Jetzt war Lachen zu hören. Doch die Stimme war ruhig, fast schon elegisch. »Ja, es dürfte denen
wohl einige Mühe bereiten, einen Richter zu finden, der die Verhandlung gegen mich führt, oder
einen Anwalt, der mich anklagt, oder fünfzehn gute und aufrechte Männer als Geschworene. Alle
waren sie im Hyde's. Jeder Einzelne von ihnen. Auf der Suche nach einem Spiel mit etwas mehr
Kick. Mehr als das, was da oben abläuft. Ich hab die Idee von einem Freund in London. Er führt
dort ein ähnliches Etablissement, vielleicht nicht ganz so extrem wie das Hyde's. Es gibt eine
Menge neues Geld in Edinburgh, John. Geld für jeden. Hätten Sie gerne Geld? Würden Sie Ihrem
Leben nicht gern etwas mehr Kick geben? Erzählen Sie mir jetzt nicht, Sie wären glücklich in
Ihrer kleinen Wohnung, mit Ihrer Musik, Ihren Büchern und Ihren Weinflaschen.« Rebus machte ein
überraschtes Gesicht. »Ja, ich weiß einiges über Sie, John. Information ist mein besonderer Kick.« Andrews Stimme wurde leiser. »Sie könnten Mitglied werden, wenn Sie wollen. Ich
könnte mir durchaus vorstellen, dass Sie das wollen. Eine Mitgliedschaft hat immerhin ihre
Vorzüge.«
Rebus lehnte den Kopf gegen den Spiegel. Seine Stimme war fast nur noch ein Flüstern.
»Ihre Gebühren sind mir zu hoch.«
»Wie bitte?« Andrews' Stimme schien näher denn je, sein Atem war fast zu hören. Rebus Stimme war
immer noch leise.
»Ich sagte, Ihre Gebühren sind mir zu hoch.«
Plötzlich holte er mit einem Arm aus, ballte die Hand zur Faust und schlug durch den Spiegel
hindurch, der in tausend Stücke zersprang. Ein weiterer Trick aus seiner SAS-Ausbildung. Schlag
nicht gegen etwas, sondern schlag immer hindurch, selbst wenn es eine Mauer aus
Stein ist.
Glassplitter flogen um ihn herum, gruben sich auf der Suche nach nackter Haut in den Ärmel seines
Jacketts. Seine Faust öffnete sich und wurde zur Klaue. Gleich hinter dem Spiegel erwischte er
Andrews am Hals, packte fest zu und zerrte den Mann nach vorn. Andrews schrie. Er hatte Glas im
Gesicht, Splitter steckten ihm im Haar, in den Lippen, ließen seine Augen tränen. Mit
zusammengebissenen Zähnen zog Rebus ihn dicht zu sich heran.
»Ich sagte«, fauchte er, »Ihre Gebühren sind mir zu hoch.« Dann ballte er die unverletzte Hand
zur Faust, versetzte Andrews einen Schlag aufs Kinn und ließ ihn los. Andrews fiel bewusstlos
zurück ins Zimmer.
Rebus zog den kaputten Schuh aus und schlug damit die Glasscherben ab, die noch im Rahmen
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