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Das zweite Leben

Das zweite Leben

Titel: Das zweite Leben
Autoren: James White
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sprunghaften Entwicklung der Insekten.
    Aus den Darstellungen war jedoch keine Weltuntergangsstimmung, keine Angst und Verzweiflung herauszulesen. Peter wurde von Traurigkeit erfaßt. »Laß uns zum Schiff zurückgehen«, schlug er vor.
    Jan nickte, sah den Gefährten dabei besorgt an. »Und dann?«
    »Dann werden wir dies hier für ein paar Stunden vergessen. Morgen helfe ich dir, die Funde auszuwerten. Ich will heim.«
    »Und dann?« stellte sie die gleiche Frage wieder.
    Peter hatte ihre Hand genommen und half ihr über einen Schutthaufen hinweg. Er ließ sie auch nicht los, als sie ins Freie traten.
    »Wir werden uns auf der Erde ein letztesmal verjüngen lassen«, sagte er mit müder Stimme. »Wir haben uns viel zu lange gestritten, ohne daß etwas dabei herauskam. Eine Verjüngung noch, eine letzte Reise, und vielleicht haben wir das verdammte Glück, doch noch etwas zu finden.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann setzen wir uns zur Ruhe«, versicherte er. »Man wird uns keine Steine in den Weg legen. Die Suchflotte ist in den letzten zehn Jahren stark dezimiert worden. Auf der Erde verliert man die Hoffnung. Die Menschen werden immer selbstzufriedener, und wer weiß, wie lange es dauern wird, bis wir den Weg unserer ausgestorbenen Brüder im Kosmos gehen werden. In ein paar Jahren oder Jahrzehnten wird man auf der Erde damit beginnen, Sender aufzustellen, ins Weltall zu funken und darauf zu warten, daß andere kommen und uns finden. Die Menschheit ist müde geworden.« Er lachte humorlos. »Wenn’s soweit ist, werden wir wieder alt sein und zusehen können, wie Insekten oder andere Rivalen sich allmählich daran machen, unsere stolze Zivilisation anzuknabbern.«
    »Eine schreckliche Vorstellung«, flüsterte Jan.
    »Deshalb sollten wir uns wieder ins Schiff setzen und ein, zwei oder drei letzte Flüge unternehmen, je mehr, desto besser. Und vielleicht …«
    »Hör auf! Es ist hoffnungslos. Es war immer schon hoffnungslos. Wir verschwenden unsere Zeit – die wenigen Jahre, die uns bleiben.«
    »Ja«, sagte Peter. Doch er fragte sich, wie der Untergang der Menschheit zu verhindern war, wenn selbst jene, die unter Hunderttausenden ausgesucht worden waren, weil die Flamme des Glaubens und der Hoffnung noch in ihnen brannte, die Flinte ins Korn warfen – sie, die Besatzungen der Suchschiffe. Die Begegnung mit anderen Intelligenzen konnte vielleicht die Menschen aus der einsetzenden Lethargie reißen.
    Peter dachte an all die von der kosmischen Bildfläche verschwundenen Rassen. Sie alle – fast alle – mußten der irdischen Menschheit kaum nachgestanden haben. Kinderkrankheiten wie Kriege, religiöser Wahn und soziale Diskriminierungen waren überwunden worden, als die Völker noch jung und aufstrebend waren. Peter hätte sich in ihrer Mitte wohl gefühlt, und vielleicht war ein gutes und erfülltes Leben der wirkliche Zweck aller Existenz. War es der Sinn des Lebens, nach den letzten Wahrheiten zu greifen? Er dachte an die Philosophen der Erde, an die Sackgassen, in die sie sich verrannt hatten. War dies zwangsläufig der Anfang vom Ende?
    »Manchmal denke ich, daß wir nie erwachsen werden«, murmelte er.
    Jan wollte auffahren und etwas entgegnen, doch dann packte sie Peters Hand fester.
    »Vielleicht sind wir erwachsen geworden, haben die Pubertät hinter uns gelassen und nur keinen geeigneten Partner gefunden«, sagte sie leise. Sie wollte nicht streiten – nicht mehr. Sie hatte Peter immer frei ihre Meinung gesagt, und es bedurfte keiner Worte mehr, um zu wissen, was der andere dachte. Sie waren beide aneinander gewöhnt, deshalb die Streitereien. Doch es waren Augenblicke wie dieser, in denen sie erkannten, wie sinnlos Wortgefechte waren. »Es war ganz bestimmt keine Zeitverschwendung, hier zu landen.«
    Peter schwieg eine Weile, während sie auf das Schiff zugingen und der Roboter vor ihnen ganze Insektenschwärme aus dem Gras scheuchte und ihr Konzert unterbrach. Auch Peter wollte jetzt keinen Streit, doch etwas ließ ihn nicht los.
    »Wenn du dich hin und wieder einmal geirrt hast«, sagte er sanft, »hast du es hinterher zugegeben. Diesmal nicht. Du glaubst immer noch, daß wir schon einmal hier waren.«
    »Laß es uns vergessen«, bat sie. Peter schüttelte den Kopf.
    »Wenn ich einen Fehler gemacht habe, will ich wissen, wodurch und wieso. Sag es mir.«
    Jan zuckte die Schultern. Dann blieb sie stehen und sah sich um. Schließlich zeigte sie in eine bestimmte Richtung.
    »Etwa vierhundert Meter
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