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Das Zeit-Tippen

Das Zeit-Tippen

Titel: Das Zeit-Tippen
Autoren: Jack Dann
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sehen: Sie trug wieder so ein Rüschennachthemd. Und Clara war eben zu dem Frauentyp herangewachsen, der so etwas trägt. Er schaute durch das Spiegelbild ihres Gesichts zu der Lichterkette am Fluß. Der dicke Smog dämpfte die Stadt, ließ die scharfe Trennungslinie von Schatten und Licht in eine graue See übergehen. Nur die hellsten Lichter waren deutlich.
    „Ich kann einfach nicht. Ich kann dich so nicht lieben; so bin ich nun einmal. Mir ist es egal, ob du dir einen Liebhaber nimmst. Ich weiß, daß du deine Bedürfnisse hast, aber ich kann sie nicht befriedigen.“
    „Aber ich will keinen Liebhaber haben – ich will dich.“ Sie schlang ihre Arme um Flaccus’ Taille. Flaccus ignorierte sie und tat so, als spürte er nicht, daß ihre Hände seinen Bauch streichelten. Er fühlte die ganze Stadt rings um sich. Er fühlte, wie er sich mit dem grauen Smog vermischte und auf den Beton hinunterschwebte. Die Wohnung war ein Gefängnis, das ihn von der Außenwelt abschnitt und ihn zwang, Spiele mit dieser eingesperrten Fremden zu treiben.
    „Könnten Sie vielleicht die Heizung etwas höher schalten? Sonst erfriere ich.“
    Flaccus schaltete den Geschwindigkeitsbegrenzer ab und überholte zwei Wagen vor sich. Der erleuchtete Mittelstreifen schwankte hin und her, und Flaccus umklammerte den Schalthebel fester. Die dünnen Metallbänder auf seiner Hand widerspiegelten die Straßenlichter. Flaccus erhöhte die Lüftung und drehte die Heizung etwas mehr auf.
    Hätte keine Anhalterin mitnehmen sollen, sagte er sich. Aber was zum Teufel; er feierte. Er betrachtete sie: braunes schulterlanges Haar, sonnengebräuntes Gesicht, Hakennase. Ihre Bluse kräuselte sich, als sie ihrem Körper gestattete, eine natürlichere Haltung einzunehmen. Ihr Knie berührte das Armaturenbrett, ihre Hand lag auf ihrem Schoß.
    Überwinde dich. Versuche dich mit ihr zu unterhalten, es ist nötig, daß du dich mit ihr unterhältst. Du mußt dich mit ihr unterhalten. Aber er hatte ihren Namen vergessen oder vielleicht nie danach gefragt. Na, du könntest sie doch danach fragen, dachte er. Du könntest doch sagen: „Wie war doch Ihr Name?“ Dann könntest du hinzufügen: „Ich kann mir Namen nie merken“ und daran anknüpfen. Statt dessen ignorierte er sie.
    Versuch es mit einem Baum. Das war vielleicht einfacher. Wenn du dich bei einem Baum wohler fühlen könntest, wäre das ein Anfang. Er kicherte. Das Mädchen runzelte die Stirn – offenbar eine einstudierte Gewohnheit – und kauerte sich an die Tür.
    Die Bäume bildeten zu beiden Seiten des Highway eine Mauer. Sie wirkten im künstlichen Licht vorzeitig grün. Obwohl Flaccus jede Meile ein Ausfahrtschild zur Stadt sehen konnte, fühlte er sich immer noch in der Wildnis. Er war nicht gern außerhalb von New York.
    Verdammt noch mal, was soll das schon, dachte er. Du hast New York nicht nötig. Was du nötig hast, sind Ferien. Ein Wegweiser zu einer Laufschiene blinkte über dem Highway. Flaccus nahm die nächste Ausfahrt. Er konnte sich nicht aufs Fahren konzentrieren; er war sich des Mädchens allzusehr bewußt.
    Er hielt bei dem Check-in, steckte seine Kreditkarte in den Streckenmesser und folgte dann dem Wagen vor sich zur Startrampe. Er stoppte den Wagen, schaltete den Motor ab und drückte auf einen Knopf des Armaturenbretts, um den Leithebel in Gang zu setzen.
    „Die Laufschiene ist angenehmer“, sagte das Mädchen. „Ich meine, mir ist es egal, wie Sie fahren, solange wir die Richtung in etwa einhalten.“
    Antworte ihr. Er dachte daran, seine Hand auf ihren Schoß zu legen, zündete sich aber statt dessen eine Zigarette an. Sie war zu jung; nein, das ist es nicht, dachte er. Er dachte daran, wie sich ihre Brüste in sein Gesicht schmiegen würden. Onanieren wäre besser.
    Er beobachtete den Wagen vor sich. Ein kleiner Leitwinker klappte an dessen Seite hoch und klickte in eine der beiden Laufschienen. Dann beschleunigte sich der Wagen und fügte sich in den Verkehr der Hauptlaufschiene ein.
     
     
    Flaccus erinnerte sich, daß er einen Panzer trug. Er fühlte, wie dieser seinen Körper fest umschloß und auf ein Signal wartete, um es an seine ihm innewohnenden Muskeln weiterzugeben. Aber in den letzten zwanzig Minuten hatte Flaccus ihn vergessen. Es war seine eigene Kraft, die die Stahlbretter schob und balancierte; es war sein eigener fester und zugleich sanfter Griff, der alles zu seinem richtigen Platz brachte; Tragebalken, riesige Glasplatten, schwere Getriebe. Er
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