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Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)

Titel: Das Zeichen der Schwalbe (German Edition)
Autoren: Helen Bryan
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ob sie ihn heiraten würde. Nur als Menina, die gegen jede Art der Empfängnisverhütung immun zu sein schien, ihm mitteilte, dass sie ihr fünftes Kind erwartete, sahen sie sich an und sagten wie aus einem Munde: »Sag es nicht! Sag nicht, dass das erst der Anfang ist!« Und wenn sich seine Frau die Haare raufte, weil sich wieder einmal irgendeine Krise anbahnte, nahm Alejandro sie in den Arm und erinnerte sie daran, dass das Beste erst noch kommen würde.
    Und als der Vorschlag kam, dass Alejandro, der als eine Art Lokalmatador galt, seit er mitgeholfen hatte, den Schmugglerring zu zerschlagen und die Frauen vor den Menschenhändlern zu retten, sich als Kandidat für die Wahl des spanischen Parlaments, der Cortes Generales , aufstellen lassen sollte, saßen sie bis spät in die Nacht zusammen und diskutierten darüber. Menina sah, dass ihr Mann Gefallen an der Idee fand. »Ich nehme an, das ist erst der Anfang – wieder einmal«, sagte sie. »Es wird bestimmt interessant! Aber du bist der richtige Mann für diese Aufgabe.« Und dann sagte sie ihm, dass sie auch eine Neuigkeit für ihn habe: Baby Nummer sechs war unterwegs.
    Heute war eine der seltenen Gelegenheiten, bei denen Menina Zeit hatte, über etwas nachzudenken, das länger als fünf Minuten zurücklag. Als sie an diese Unterhaltung dachte, lächelte sie. Sie mussten wahnsinnig gewesen sein, dass sie sich vorstellten, sie könnten noch mehr in ihr Leben hineinpacken, aber irgendwie schien es zu funktionieren. Inzwischen gelang es Menina ganz gut, in aller Ruhe mitten im Chaos zu leben und sich nur um die wichtigsten Dinge zu kümmern. Mittlerweile hatte sie reichlich Übung darin. Und wenn etwas für Schwangerschaften sprach, dann war es die Tatsache, dass man sich gelegentlich hinsetzen konnte.
    Heute saß Menina in einem leichten pinkfarbenen Umstandskleid, mit einer dicken Perlenkette um den Hals und Espadrilles an den Füßen unter einem riesigen Sonnenschirm, der sie vor der glühenden Mittagssonne schützte, und zog Bilanz. Sie sah zu, wie ihre Eltern in dem alten, von Mauern umgebenen Pilgergarten mit vier ihrer Töchter – P í a, Esperanza, Marisol und Luz – im Kreis tanzten. Die einjährige Sanchia lag in ihrem Buggy und hielt vor dem Mittagessen ein Schläfchen.
    Heute hatte sie das Haus voll mit den Menschen, die sie am meisten liebte, und der, der noch fehlte, ihr Mann, war bereits unterwegs, um rechtzeitig zum Mittagessen mit seiner Familie zu Hause zu sein. Es versprach, eine lebhafte und typisch spanische Mahlzeit zu werden. Der Tisch war in der Laube gedeckt, sie hatte zwei wichtige Termine auf den nächsten Tag verschoben, und ihre Mitarbeiterin, Almira, kümmerte sich um das Essen. Und so hatte sie Zeit, sich auf das zu konzentrieren, was im Moment das Wichtigste war: Becky, die sie seit Jahren nicht gesehen hatte.
    Als Becky am Abend zuvor hereingekommen war, hatte Menina alle Mühe, sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Sarah-Lynn war weniger zurückhaltend: »Was um alles in der Welt ist diesem Kind zugestoßen?«, fragte sie ihre Tochter flüsternd, sobald Becky aus dem Zimmer gegangen war. Von weitem, fand Menina, sah Becky aus wie immer. Aus der Nähe betrachtet sah man die feinen Runzeln, die die heiße irakische Sonne in ihr Gesicht gebrannt hatte. Unter den Augen hatte sie dunkle Schatten, ihre Wangenknochen traten hervor, die Fingernägel waren weit heruntergekaut. Becky neigte dazu, ärgerlich mit ihrer Krücke nach Dingen zu schlagen. Am liebsten hätte Menina die Freundin in den Arm genommen und geweint, doch sie wusste, dass das ein schrecklicher Fehler wäre. Also lächelte sie und tat so, als sei alles in bester Ordnung. Derweil überlegte sie fieberhaft, wie sie Becky in ihrer Not helfen könnte. Vor Jahren hatte das Kloster ihr geholfen, über eine Vergewaltigung hinwegzukommen. Vielleicht würde es Becky guttun, einfach hier zu sein. Menina nahm sich vor, ruhig zu bleiben und ihr Zeit zu lassen. Vorausgesetzt, Becky explodierte nicht.
    Becky hatte eine Reihe ausgezeichneter Artikel über das Kloster, die Gemälde und die geplante Galerie geschrieben und hatte Menina und Alejandro damit geholfen, ihr gewaltiges Vorhaben anzustoßen. Doch dann hatte ihre schier unstillbare Abenteuerlust sie buchstäblich von einem Krieg zum anderen getrieben. Nachdem sie ihre Ausbildung als Journalistin beendet hatte, war es ihr irgendwie gelungen, sich einen Presseausweis zu erschwindeln, mit dem sie erst nach Afghanistan und
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