Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman
Autoren: Adam J Dalton
Vom Netzwerk:
blass waren.
    » Ich… ich weiß nicht«, keuchte Jillan. » Vielleicht werde ich krank.« Doch er zwang sich, munter zu tun und sich aufzurichten, um Hella nicht noch mehr zu verstören. » Komm schon, lass uns hineingehen. Sonst beschließt der Prediger noch, uns zu bestrafen, weil wir faul sind.«
    Aber Jillans Gedanken ließen sich nicht so leicht wieder aufrichten wie sein Körper. Sie wirbelten, als ob der Sturm in seinem Kopf tobte und verzweifelt einen Weg ins Freie suchte. Er bekam Schmerzen in den Schläfen, und es kostete ihn Mühe, nicht zusammenzuzucken. Er konzentrierte sich angestrengt darauf, auf dem Steinboden schön regelmäßig einen Fuß vor den anderen zu setzen. Es gelang ihm, alles andere in den Hintergrund zu drängen und seine Kopfschmerzen zu einem dumpfen Pochen zusammenschrumpfen zu lassen, das ihn zwar noch so peinigte und piesackte, dass seine Schultern dann und wann zuckten, aber er erkannte befriedigt, dass er sich größtenteils in der Gewalt hatte. Er brachte ein Lächeln für seine Freundin zustande und zog sie mit in die Schule.
    Prediger Praxis stand da und musterte sie beide nacheinander von Kopf bis Fuß. Er war so groß und dünn, dass er unnatürlich langgestreckt wirkte. Seine Augen waren wie Wasser, manchmal farblos, manchmal so, dass sie den Farbton aller Dinge in ihrer Umgebung widerspiegelten. Jedes Mal, wenn der Prediger ihn ansah, hatte Jillan den Eindruck zu ertrinken. Alles andere an Praxis bestand aus scharfen Kanten– die unverwüstliche Stirn, die wie mit dem Lineal gezogenen Wangenknochen, die Hakennase. Der Prediger war die Zuchtrute, die jede Gemeinde benötigte, wenn sie nicht allzu weit vom Willen der gesegneten Erlöser abweichen wollte.
    » Guten Morgen, Kinder!«, krächzte der Prediger.
    » Guten Morgen, Prediger Praxis!«, antworteten sie im Chor und mussten seinem Blick standhalten. Jillan konnte ein Zittern nicht unterdrücken. Sein Nacken fühlte sich nass und kalt an. Er wankte leicht, und sein Stuhl scharrte über den Boden.
    » Jillan Jägersohn, hast du kein Benehmen?«, fragte der Prediger. » Ihr anderen dürft euch setzen.«
    Haal machte sich nicht die Mühe, sein Lächeln zu verbergen. Unter dem Scharren und Schaben von Stühlen ließ sich die Klasse an ihren Schreibtischen nieder. Jillan sah auf seine Füße hinab.
    » Nun, Jillan Jägersohn? Wir warten. Oder willst du uns mutwillig von unserem Studium der gesegneten Erlöser abhalten?«
    » Entschuldigt, Prediger, es wird nicht wieder vorkommen.«
    » Hör auf, so zu nuscheln, Junge! Versuchst du, deine Entschuldigung herunterzuschlucken, bevor sie zu hören ist? Bist du nicht aufrichtig? Bist du nicht ehrlich? Hebe den Kopf und entschuldige dich deutlich bei uns allen.«
    Jillan hob den Kopf und die Augen, die sich noch nie so schwer angefühlt hatten, und sagte: » Es tut mir leid.« Er krümmte leicht die Schultern, um das Zucken zu verbergen, das sein Kreuz durchlief.
    » Weißt du, mein Junge, ich bin neugierig. Geht dein schlechtes Benehmen auf deine armselige Erziehung zurück– oder auf finstere und heimtückische Gedanken? Nun? Was von beidem steckt dahinter?«
    Jillan war so verwirrt, dass ihm keine einfache Antwort einfiel. Die Frage des Predigers war eine Falle. Entweder musste er seinen Eltern die Schuld geben und so Haal und seinen Kumpanen Gelegenheit zur Häme verschaffen, oder er musste gestehen, den Versuchungen des Chaos erlegen zu sein.
    » Ich…«
    » Er hat sich eine Erkältung oder so etwas eingefangen! Deshalb zittert er«, platzte Hella heraus.
    Prediger Praxis bedachte die blonde Tochter des Händlers der Stadt mit einem zornigen Blick. Er sagte ein paar Augenblicke lang nichts, und die Klasse hielt den Atem an.
    » Die Erlöser haben ihm eine Zunge geschenkt, Hella Jacobstochter! Wenn er nicht vor dem Prediger der Erlöser für sich selbst sprechen kann, wozu taugt diese Zunge dann? Und wir müssen uns fragen, welches Geheimnis ihn wohl davon abhält zu sprechen. Hüte dich davor, Hella, bei der Wahl deiner Freunde oder bei der Entscheidung, für wen du eintrittst, unklug zu handeln. Verstehst du, was ich dir damit sagen will, oder soll ich vielleicht deinen Vater und die Stadtältesten bitten, es dir zu erklären?«
    Mit zitternder Unterlippe brachte Hella ein Nicken zustande und stotterte: » J…ja, Prediger. Ich verstehe. Es… es tut mir leid.«
    Der Prediger nickte und wandte sich mit einem Schnauben an Jillan: » Setzen! Du hast uns schon genug Zeit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher