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Das Wiegen der Seele (German Edition)

Das Wiegen der Seele (German Edition)

Titel: Das Wiegen der Seele (German Edition)
Autoren: Dirk Ullsperger
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klopfte ihm behutsam auf die Schulter.
    Nettgen verzog schmerzerfüllt das Gesicht.
    „Autsch! Noch einmal, und ich breche dir alle Knochen!“
    „Schön zu sehen, dass du wieder der Alte bist!“, grinste Löffler.
    Eine Weile sprach niemand ein Wort, nur die Geräusche des Straßenverkehrs drangen durch das geöffnete Fenster.
    Nach und nach kehrten Nettgens Erinnerungen zurück. Bruchteile der Erlebnisse der letzten Nacht kamen wie durch eine Nebelwand in sein Bewusstsein. Er erinnerte sich daran, wie er das Kanalsystem unter der Abtei nach Spuren durchsucht und den Hinweis auf McKinley entdeckt hatte. Nettgen versuchte, sich an weitere Einzelheiten zu erinnern und spürte in diesem Moment die Schmerzen, die ihm die Kreatur zugefügt hatte.
    „Habt ihr das Schwein gekriegt ?“ , fragte er mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Löffler gewandt.
    „Ja, wir sind gerade noch rechtzeitig eingetroffen.“
    „Aber gerettet hat dich Dietmar!“ , fügte Maria hinzu.
    Nettgen blickte zu Löffler, der verlegen zu Boden schaute.
    „Danke, du Held , hast was gut bei mir …“ Nettgens Lider waren noch immer schwer und er konnte die Augen nicht mehr länger offenhalten.
    „Übrigens … . a lles Gute zum Geburtstag, alter Junge!“ , hörte er noch Löfflers Stimme. Nettgen fiel ein, dass er an diesem Tag neununddreißig wurde. Demnächst könnte er wohl doppelt feiern. Dann dämmerte er weg.
     
    Drei Wochen vergingen, bevor Nettgen aus dem Krankenhaus entlassen werden konnte. Nur der Besuch, den er täglich empfing, hatte den Aufenthalt halbwegs erträglich gemacht. Burscheidt kam persönlich vorbei, um ihn über den Abschluss der Ermittlungen zu unterrichten. Im Gepäck hatte er auch Nettgens Dienstmarke.
    Es hatte sich herausgestellt, dass hinter den Morden ein Bündnis steckte, das seit Jahrhunderten existierte und das Grab des Priesters auf Leben und Tod verteidigte – die Seelenkrieger. Nachdem Burscheidt hinter Nettgens letzten Alleingang gekommen war, veranlasste er unverzüglich die wohl größte Fahndung, die er in seiner Dienstzeit in Essen je durchgeführt hatte. In Zusammenarbeit mit BKA und SEK stürmten sie das Essener Kloster, wobei vier Männer festgenommen wurden und mittlerweile auf der Anklagebank saßen. Das Kloster war der Hauptsitz des Ordens, von wo aus die Anhänger ihre Aktionen in aller Welt organisierten. Der Draht zu den Mönchen entstand dadurch, dass ein Ordensmitglied der Krieger ein ehemaliger Redemptorist eines früheren Hennefer Klosters war. Die Polizei von Essen und Bonn konnte in Zusammenarbeit mit der ägyptischen Polizei zwei weitere Anhänger des Ordens in Kairo festnehmen und wegen Mord in mehreren Fällen anklagen.
    Die Kreatur, die Nettgen angegriffen hatte, stellte sich als niemand anderer als Bahabi , der Polizeichef von Kairo heraus. Er war der lang gesuchte Anführer der Wächterschaft gewesen. Ins Land gekommen war er mit der Identität von Andrew McKinley , den er auch ermordet hatte . Löffler hatte Bahabi buchstäblich in letzter Sekunde erschossen und so das Schlimmste verhindert.
     
    * * *
     
    Der nächste Morgen begann für Nettgen mit heftigen Kopfschmerzen. Er hatte schlecht geschlafen, Al b träume waren durch seine Gedanken gepeitscht und immer wieder hatte ihn stechender Schmerz aus seiner eigentlich gut verheilten Wunde geweckt. Er wälzte sich noch eine Weile im Bett hin und her, dann stand er auf. Nachdem er sich gestreckt hatte, führte ihn sein erster Gang in die Küche. Nettgen setzte Kaffeewasser auf, gab einen Löffel Kaffeepulver mehr hinzu, in der Hoffnung, die Kopfschmerzen würden dann nachlassen. Nach drei Wochen Krankenhausaufenthalt wurde es für ihn höchste Zeit, wieder einen richtigen Kaffee zu genießen. Während das Wasser durch die Maschine lief und langsam frischer Kaffeeduft die Wohnung erfüllte, ging er ins Bad, unternahm eine Katzenwäsche und putzte sich die Zähne. Der Geschmack im Mund war abscheulich, geradezu ekelerregend. Er putzte sie gleich ein zweites Mal und gurgelte seinen Rachen. Ein Blick in den Spiegel erschreckte ihn: In den letzten Wochen war er scheinbar um mehrere Jahre gealtert. Der Fall hatte psychische und physische Spuren hinterlassen. Eine Narbe auf seiner Stirn erinnerte an die Torturen, die er am Vortag seines neununddreißigsten Geburtstages durchgemacht hatte.
    Für die Polizei war der Fall abgeschlossen, die Täter überführt und angeklagt. Für Nettgen jedoch war die alles entscheidende Frage immer noch
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