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Das Wiegen der Seele (German Edition)

Das Wiegen der Seele (German Edition)

Titel: Das Wiegen der Seele (German Edition)
Autoren: Dirk Ullsperger
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landete unsanft auf dem Hinterteil. Dieser Tritt hatte ihn zwei Zähne gekostet; dabei war Blut bis an die Wand gespritzt.
    Nettgen war am Ende – er konnte nicht mehr. Benommen lag er zusammengekrümmt, reglos und mit blutüberströmtem Gesicht auf dem Teppichboden. Er war nicht mehr in der Lage, irgendetwas bewusst zu verarbeiten, empfand weder Wut noch Schmerz. Das Einzige, was er spürte, war die prickelnde Kälte, die sich langsam über seinen gesamten Körper ausbreitete. Er stöhnte. Bei dem Versuch, seine Augen einen Spalt zu öffnen, nahm er verschwommen wahr, wie sich ein großer Schatten im Zeitlupentempo auf ihn zubewegte . N ettgen zitterte am ganzen Leib. Jeder Versuch, sich zu rühren, schlug fehl. Die Kreatur packte ihn an der Schulter und riss ihn unsanft auf den Rücken. Nettgen stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus, denn er spürte jeden einzelnen Knochen. Langsam machte sich sein Überlebenswille breit und er wurde allmählich wieder Herr seiner Sinne. Der Überraschungseffekt war deutlich auf der anderen Seite gewesen.
    Während Nettgen fieberhaft an einem Ausweg aus dieser scheinbar hoffnungslosen Situation überlegte, hockte sich die Kreatur mit ihrem gesamten Gewicht auf seinen Bauch. Er konnte weder ein- noch ausatmen, japste nach Luft und versuchte, den Angreifer von sich zu stoßen, soweit es seine schmerzenden Rippen zuließen.
    In diesem Moment sah er in der Hand der Kreatur kurz etwas aufblitzen. Als Nettgen erkannte, worum es sich handelte, wurde ihm übel. Er schaute direkt auf die Spitze eines langen Golddolches, der auf ihn gerichtet war.
    „Wer bist du? Was willst du von mir?“, keuchte er.
    Dann der Versuch, die Handgelenke des Angreifers zu packen und die sich nähernde Spitze fernzuhalten, doch er war zu schwach. Der Dolch rückte erbarmungslos an ihn heran, immer näher. Di e geschärfte Spitze der Klinge berührte Nettgens linke Brust. Die Kreatur stieß einen hohlen Laut aus und schaute nach links. Nettgen folgte den Blicken. Ihm stockte der Atem. Spätestens jetzt wurde ihm bewusst, was die Kreatur mit ihm vorhatte.
    Er starrte auf das glänzende Gestell einer Waage. In einer der Schalen lag eine Feder, die andere war leer …
    Nettgen löste seinen entsetzten Blick von den Schalen und sah der Kreatur in die giftgrünen Augen. In Sekundenschnelle raste sein Leben vor seinem inneren Auge vorbei, dreidimensional und in Farbe.
    Sein Schrei und das Eindringen der Klinge erfolgten gleichzeitig. Er spürte, wie die Klinge sich in seinen Brustkorb bohrte.
    Nettgen schloss die Augen. Der Film in seinem Inneren war zu Ende.

Kapitel 21
     
    Nettgen erwachte im Einzelbettzimmer eines Krankenhauses. Jemand hatte das Fenster geöffnet. Die Vorhänge wogen im Wind. Seine Lider waren schwer, der Kopf dröhnte und in seiner Brust pochte ein stechender Schmerz. Er spürte einen Verband um seinen Schädel und eine Kanüle in der Hand, an der zwei Infusionen hingen. In seinem Mund schmeckte er Blut. Beim Versuch, sich aufzurichten, ließ er sich vor Schmerz direkt wieder zurück ins Bett fallen. Er fühlte sich hundeelend, ihm war übel und schwindlig.
    In diesem Moment betrat ein Mann im weißen Kittel das Krankenzimmer. Nettgen schätzte ihn auf Ende fünfzig, sein silbergraues Haar glänzte.
    „Guten Morgen, Herr Nettgen. Es freut mich, dass Sie zu sich gekommen sind! Mein Name ist Professor Adams. Ich habe Sie letzte Nacht notoperiert.“
    Nettgen verstand nur Bahnhof. Krampfhaft versuchte er die Augenlider geöffnet zu lassen, was ihm jedoch schwerfiel. Er konnte sich an nichts erinnern, was sich in der letzten Nacht zugetragen hatte.
    „Operiert? Was ist passiert?“, fragte er flüsternd. Seine Kehle war trocken und spröde.
    „Ruhen Sie sich erstmal aus und kommen Sie langsam wieder zu sich. Sie brauchen keine Angst haben, Sie sind außer Lebensgefahr. Sie hatten ziemlich viel Glück“, fügte der Professor hinzu. „Ich schaue später wieder bei Ihnen vorbei. Aber draußen wartet noch jemand, der Sie sehen möchte . “ Der Professor verließ das Zimmer. Hinter der angelehnten Tür vernahm Nettgen Stimmen.
    Die Tür ging auf und Maria und Löffler betraten das Zimmer. Maria kam näher an sein Bett, beugte sich zu ihm und nahm seine Hand. Sie hatte Tränen in den Augen. Nettgen lächelte, verzog aber sofort das Gesicht, weil es den Schmerz in seinem Mund verschlimmerte. Sie küsste behutsam seine Stirn und strich ihm zärtlich über das Haar. Auch Löffler trat heran und
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