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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin
Autoren: Andrea Schacht
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feuchten Tuch über die heiße Stirn und wickelte es ihr dann um die geschwollene Hand. Almut verließ das Zimmer.
    Trine saß auf einer Bank am Kräutergarten und zog mit widerwilliger Miene Nadel und Faden durch ein Stück Leinen, das einmal ein Hemd werden sollte. Das reine Weiß wirkte ein wenig schmuddelig, denn viel lieber, als sich mit Näharbeiten zu beschäftigen, wuselte das dreizehnjährige Mädchen in den Beeten herum oder half Elsa in ihrer Kräuterküche. Darum erhellte ein leuchtendes Lächeln ihr Gesicht, als Almut sacht ihre Schulter berührte und ihr mit einigen Handzeichen bedeutete, sich in der Apotheke nützlich zu machen. Hurtig verschwanden Hemd und Nähzeug im Korb, und kurz darauf stand Trine, mit aufgestecktem goldblondem Zopf, über den Kessel gebeugt und rührte in einem streng riechenden Gebräu.
    Währenddessen ging Almut zu einem der Häuschen, die um die Mitte des Grundstücks gebaut waren und einen beinahe quadratischen Hof bildeten. Sie bewohnte es zusammen mit Clara, einer leidenschaftlichen Gelehrten, die sich mit Inbrunst in ihre Bücher vertiefen konnte und höchst tiefsinnige Diskussionen zu führen verstand. Auch jetzt saß sie mit frisch angespitzter Feder über einem Pergament und zeichnete säuberlich einen Text auf, den sie zuvor auf einem Wachstäfelchen vorgeschrieben hatte.
    »Tut mir Leid, wenn ich dich störe. Aber Rigmundis geht es ziemlich schlecht.«
    »Oh…« Clara tauchte aus ihrer Versenkung auf. »Ja, natürlich. Dahinter muss Jesus Sirach wohl zurückstehen.«
    »Wer, bitte?«
    »Ah, dieser Text hier, das Lob der Weisheit. Sirach besingt es. Aber nun denn – was ist passiert?«
    »Ein Wespenstich plagt Rigmundis. Magda bittet dich zu kommen.«
    Clara legte sorgsam die Feder zur Seite, stand auf und seufzte: »Na gut, wenn es sein muss!«
    Auf dem Weg über den Hof erklärte Almut ihr, was geschehen war. Als sie in die Kammer traten, beugte sich Clara dann über die Kranke.
    »Einen guten Arzt kenne ich nicht. Wer kennt schon gute Ärzte! Aber wir könnten den Bader rufen, der sie zur Ader lässt. Ich habe von einem an der Marspforte gehört, der sich hervorragend darauf verstehen soll.«
    »Einen Bader von der Marspforte? Hältst du das für eine gute Maßnahme?«
    Almut schüttelte bei dem Gedanken zweifelnd den Kopf. Die Badestuben in jener Gegend hatten einen anrüchigen Ruf. Außerdem hielt sie nicht viel vom Aderlass. Sie hatte oft genug an Krankenbetten gesessen, um zu wissen, dass diese Therapie die Leidenden oft mehr schwächte als ihnen zu helfen.
    »Keinen Bader, keinen Arzt!«, flüsterte jetzt Rigmundis gepeinigt. »Wird schon wieder!«
    »Das glaube ich auch. Du bist kräftig und gesund, und ein wenig Ruhe wird dir Heilung bringen«, beruhigte Clara sie. »Außerdem hast du dich ja nicht versündigt.«
    »Aber natürlich nicht!«, erwiderte Magda empört. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Ach, weil es da heißt: ›Wer vor seinem Schöpfer sündigt, der soll dem Arzt in die Hände fallen.‹«
    »Clara?«
    Almut und die Meisterin sahen sie groß an.
    »Hat Sirach gesagt. Eine seiner Weisheiten, die ich eben übersetzte.«
    »Ein neues Kapitel der Bibel, Clara? Ich dachte, du wolltest die Paulusbriefe weiter bearbeiten?«
    »Die habe ich kürzlich fertig gestellt. Die Bücher der Weisheit, die ich mir jetzt vorgenommen habe, sind sehr lehrreich. Ich gebe sie dir nachher zu lesen, Almut«, bot Clara ihr an.
    »O ja, danke«, antwortete Almut mit kaum verhohlener Begeisterung. »Weise Sprüche können sehr nützlich sein!«
    »Tu das lieber nicht, Clara, sonst fängt sie wieder an, mit den Priestern zu disputieren!«, warnte Magda sie. »Du kennst doch ihre ungebärdige Zunge!«
    »Ich habe seit Wochen den Mund in der Kirche nicht mehr aufgemacht.«
    »Richtig, noch nicht einmal zum Singen. Und das ist wahrhaft ein Segen, Almut!«, spöttelte Clara, aber bevor Almut etwas erwidern konnte, begann Rigmundis heiser zu sprechen.
    »Sie wird Unheil über uns bringen!«, flüsterte sie, während sie sich halb sitzend erhob und ihren glasigen Blick auf die Wand neben dem Fenster richtete.
    Almut wollte zu ihr gehen, aber Magda hielt sie zurück.
    »Lass sie, wenn du sie jetzt störst, bekommt sie ihren Anfall womöglich, wenn ein anderer bei ihr wacht! Wer weiß, was sie in ihrem Fiebertraum sieht!«
    »Oh, ich verstehe.« Almut verstand wirklich, denn Rigmundis hatte hin und wieder Visionen, die die Mitglieder des Konventes in Unruhe versetzten. Es war
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