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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin
Autoren: Andrea Schacht
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sanft an der Schulter. Lang bewimperte Lider flatterten und hoben sich, und zwei vergissmeinnichtblaue Augen sahen sie verwundert an. Doch dann wurde der Blick starr, und das ganze, sanfte Gesichtchen drückte Angst und Fluchtbereitschaft aus.
    »Psst, ganz ruhig. Was immer es ist, hier bist du in Sicherheit!«
    Das Mädchen zog die Beine an und versuchte sich weiter nach hinten an die Wand zu drücken.
    »Du brauchst keine Angst zu haben, wir tun dir nichts. Wir sind Beginen und kümmern uns um die Kranken und Armen.«
    »B…Beginen?«
    »So etwas Ähnliches wie Nonnen.«
    »Nein!«
    Helles Entsetzen stand jetzt in dem Gesicht, und Almut verstand.
    »Dies ist kein Kloster, weißt du. Wir sind nur ein paar Frauen, die zusammen leben und arbeiten.«
    Ein ganz klein wenig schien sich die Fremde zu entspannen.
    »Du siehst ein bisschen abgerissen aus. Bist du hungrig?«
    »Ja. Hunger!«, hauchte das Lämmchen und zog die Lumpen enger um sich.
    Almut drehte sich zu Trine um, die das Ganze aufmerksam beobachtet hatte, und legte die rechte Hand um den Zeigefinger. Trine nickte und lief los, aber das Mädchen war schon wieder zurückgezuckt.
    »Beruhige dich, Trine kann nicht hören und nicht sprechen. Wir verständigen uns mit einer Art Zeichensprache. Wir haben sie von den Benediktinerinnen gelernt, die sich in den Schweigestunden so verständigen. Du brauchst dich vor Trine nicht zu ängstigen, sie ist ein sehr liebes Kind.«
    Trine kam gleich darauf mit einer Schüssel Gerstenbrei zurück, der mit Honig gesüßt und mit dicker Milch übergossen war, und reichte sie mit einem Holzlöffel ihrem verschüchterten Findling. Das Mädchen machte sich mit Heißhunger darüber her, warf aber immer wieder wachsame Blicke über den Rand der Schüssel, als ob sie fürchtete, irgendwer könne sie mitten in ihrem Schmaus überfallen. Almut war neben ihr sitzen geblieben, hatte Trine aber zu Magda geschickt, und die hohe Gestalt der Meisterin warf ihren Schatten durch den Eingang zum Stall.
    »Was hast du gefunden, Almut? Trine konnte mir es nicht erklären. Oh – ein Kind?«
    »Das – mh – Lamm, scheint’s.«
    »In der Tat.«
    Magda betrachtete die junge Frau eindringlich, die sich unter dieser Musterung tiefer in das Stroh hineindrückte.
    »Sie ist hungrig, schmutzig und wahrscheinlich auch verletzt. Soll ich mich um sie kümmern?«
    »Natürlich, Almut. Waschen könnte hilfreich sein. Und ein Kleid. Vielleicht passt ihr einer von Trines alten Kitteln. Die Wunden können wir in der Apotheke versorgen. Einen Schlafplatz braucht sie auch. Dann sehen wir weiter.«
    Magda war oft eine recht strenge Meisterin, aber man konnte sich vollkommen auf sie verlassen, wenn es darum ging, jemandem in Not zu helfen. So war es auch vor drei Jahren geschehen, als Trine zu ihnen gekommen war, ein verwahrlostes, krankes Kind von zehn Jahren, das sich weder verständigen konnte noch hörte, was um es herum geschah.
    »Ich schau mal, ob wir nicht die kleine Kammer in unserem Haus für sie richten können. Es sind nur zwei Truhen mit Claras Büchern darin. Einen Strohsack und ein paar Decken werden wir noch auftreiben können.« Und zu der jungen Frau gewandt, fragte Almut dann: »Kannst du aufstehen?«
    Mühsam richtete das Mädchen sich auf, war aber zu schwach oder hatte zu große Schmerzen, um sich auf den Beinen zu halten. Resolut griffen Magda und Almut zu und trugen sie in das Haus der Apothekerin, um ihre Wunden zu versorgen.
    Später, als die junge Frau auf ihrem rasch zusammengesuchten Lager schlief, begab sich Almut nachdenklich in ihre Kammer. Es war schwierig gewesen, zu dem verstörten Geschöpf vorzudringen. Erst am Abend hatte die junge Frau dann schließlich ihren Namen preisgegeben. Angelika, hatte sie geflüstert, würde man sie rufen. Und dann hatte sie sich zur Wand gedreht und die Decke über den Kopf gezogen. Sie machte zwar einen ausgesprochen sanften und unschuldigen Eindruck. Dennoch – die Katze war zutraulicher gewesen. Selbstverständlich würden sie versuchen müssen, etwas über ihre Herkunft herauszufinden. Im Moment konnte Almut nur vermuten, was mit dieser Angelika geschehen war. Sie hatte eine sehr zarte, weiße Haut, auch an den Händen. Harte Arbeit hatte sie gewiss nicht leisten müssen. Wahrscheinlich stammte sie aus guter Familie. Ziemlich sicher aber war sie eine kleine Ausreißerin. Und mit Schaudern dachte Almut an das recht raue Kriegsvolk, das sich derzeit vor der Stadt herumtrieb. Sie fürchtete, sie
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