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Das weisse Horn

Das weisse Horn

Titel: Das weisse Horn
Autoren: Iwan Antonowitsch Jefremov
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sich mit gekreuzten Beinen hin,
    schlürfte Tee und begann seine Erzählung.
    Obwohl der Uigure nur gebrochen russisch sprach, hörte
    Ussolzew mit gieriger Aufmerksamkeit zu. Arslans Phan-
    tasie umgab die Legende mit glühenden Farben. So lebte
    sie wahrscheinlich auch bei den poetischen Einwohnern des
    Siebenflußgebietes fort.
    Erstaunlich war für Ussolzew, daß sich, nach den Worten
    des Uiguren, dies alles vor nicht allzu langer Zeit, vor un-
    gefähr dreihundert Jahren ereignet hatte.
    Er konnte keine Ruhe finden und dächte an die Legende:
    über dieses ganze Gebiet herrschte einst ein mächtiger und
    tapferer Khan. Sein Nomadenstamm besaß viele Herden,
    • Held.
    ** Breite Porzellantassen ohne Henkel.

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    die er ständig durch zahlreiche Überfälle auf die Nadi-
    barstämme vergrößerte. Einst zog der Khan mit einer
    großen Schar auf eine weite Reise und kam bis nach Talas.
    Unweit von den alten Mauern Sadyr-Kurgans stieß er auf
    eine Horde grausamer Dshete*. Ein blutiger Kampf ent-
    brannte. Die Dsheten wurden geschlagen und flüchteten.
    Der Khan machte reiche Beute. Am meisten erfreute ihn
    eine gefangene Frau von ungewöhnlicher Schönheit, die
    Geliebte des besiegten Anführers. Sie war von den Dsheten
    im Ferghana-Tal geraubt worden, als sie sich aus einem
    fernen Lande auf dem Wege zu ihrem Vater befand, der
    am Hofe des mächtigen Gebieters von Kokand diente. Sie
    bezauberte und entflammte die Herzen der Männer. Der
    Khan brachte seine Gefangene in die heimatlichen Berge,
    und hier wurde sie seine Lieblingsfrau. Die Sänger, die sich
    der Gunst des Khans erfreuten, schufen Lieder, in denen
    sie ihre Schönheit und ihre Liebe zum Khan besangen.
    Es vergingen zwei Jahre. Der Schnee lag schon hoch an den
    Bergabhängen, als der Khan sein Lager am Rande der
    grünen Matten des Karkarin-Tales aufschlug.
    Die Herrscher der befreundeten Nachbarstämme trafen sieb.
    bei ihm zu einem Festmahl. Die Zahl der Zelte im Tal
    vergrößerte sich von Tag zu Tag.
    Völlig unerwartet für den Khan traf auch ein finsterer,
    fremder Krieger ein.
    Er kam ganz allein, nicht auf einem Pferd, sondern auf einem
    riesigen weißen Kamel mit kurzem, seidenweichem Fell.
    Seltsam war die Aufmachung des Kriegers. Sein Antlitz
    • Räuberische Nomadenstämrae,

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    war mit einem schwarzen Tuch umwunden, auf dem Kopf
    trug er einen flachen, vergoldeten Helm mit einem Pfeil.
    Sein weiter Kettenpanzer fiel fast bis zu den Knien hinab.
    Ein Schwert, zwei Dolche, ein kleiner runder Schild und
    eine große Axt mit langem Griff waren seine Waffen. Der
    Fremdling verlangte, zum Khan geführt zu werden. Un-
    geduldig legte! er seine Waffen auf eine weiße Filzdecke,
    enthüllte sein Gesicht und verneigte sich ehrerbietig, aber
    stolz vor dem Herrscher.
    Sein strenges Antlitz trug die Spuren des langen schweren
    Lebensweges eines Tapferen, der zu gemeinen Handlungen
    nicht fähig ist. Unwillkürlich erfreute sich der Khan an dem
    Anblick des Fremden. Als dieser zu sprechen begann,
    konnten alle seine Sprache verstehen,
    „Großer Khan!" sagte der Fremdling. „Ich kam zu dir aus
    einem fernen, heißen Land, wo die furchtbaren Flammen
    der Sonne die tote Wüste an den Ufern des heißen Roten
    Meers erglühen lassen. Schwer war mein Suchen. Ein gan-
    zes Jahr irrte ich durch die Gebirge und Täler zwischen
    Kokand und dem blauen Issyk-Kul, bis mich Gerüchte und
    Erzählungen zu dir führten. Sage mir, befindet sich bei dir
    ein Weib, von dir Seidjurusch genannt, die du den Dsheten
    von Talas abgenommen hast?"
    Der Khan neigte bejahend sein Haupt, und der Krieger
    fuhr fort:
    „Dieses Weib, Khan, ist meine mir versprochene Braut,
    und ich habe geschworen, daß keine Kraft des Himmels
    und der Hölle mich von ihr zu trennen vermag. Drei Jahre
    kämpfte ich an der Grenze Indiens und in der schrecklichen

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    Wüste Tar. Als ich zurückkehrte, erfuhr ich, daß sie die
    Verwandten, ohne auf mich zu warten, zu ihrem Vater
    geschickt hatten. Aufs neue ging ich auf eine weite und
    gefährliche Reise, kämpfte und kam vor Durst und Hunger
    fast um. Ich habe viele fremde Länder durchzogen, und
    jetzt stehe ich vor dir.
    Schnell läuft der Fluß der Zeit über die Steine des Lebens.
    Ich bin nicht mehr jung, doch meine Liebe zu ihr ist nach
    wie vor unendlich groß. Sage, o Khan, habe ich sie mir
    durch diesen schweren Weg nicht verdient? Gib sie mir
    zurück, mächtiger Herrscher. Ich weiß, es kann nicht anders
    sein: Auch sie hat lange
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