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Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Titel: Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
Autoren: Sheri S. Tepper
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nicht. Sie hatte fahle, gelbliche Haut und hervorquellende Augen, die mit dicken schwarzen Strichen umschminkt waren. Der Mund wirkte klein und fleischig wie eine giftige Frucht, und ihre Haare standen in einer riesigen gekräuselten Masse von ihrem Kopf ab, durch die sie ab und zu mit den Fingern fuhr, die fingerlangen Nägel so schwarz angemalt wie ihre Augen. Die flatternde Seide, die sie trug, enthüllte eine taillenlose Plumpheit. Über allem lag eine Betörung, die die Augen des Betrachters trog und ihm vormachte, daß sie begehrenswert, herrlich und wunderschön sei.
    »Hübsche Hexe«, sagte ich zu Chance.
    »Schön«, seufzte er.
    Oje. Sie hatte die Betörung über uns beide geworfen, nicht ahnend, daß ich immun dagegen war. Oder wußte sie davon und wollte meine Immunität prüfen? Die Möglichkeiten schienen endlos.
    »Sie ist eine Hexe, Chance«, sagte ich streng. »Eine Schreckgestalt. Schwarze Fingernägel, so lang wie dein Arm; Froschaugen; Haare wie eine Scheuerbürste und eine Figur wie ein Kopfkissen.«
    Die Kinnlade klappte ihm herunter, aber er kannte sich mit Spielern gut genug aus. »Ich werde daran denken, Peter«, sagte er mit bemerkenswerter Würde. »Sei sicher, daß ich es nicht vergessen werde.«
    »Aber wenn du zeigst, daß du es weißt«, fügte ich liebenswürdig hinzu, »wird sie wissen, daß ich es dir gesagt habe. Tu besser so, als würdest du sie umwerfend finden.«
    Er warf mir einen gekränkten Blick zu. »Ich bin doch kein Narr, Junge. Soviel habe ich mir auch schon zusammengereimt.« Und er fuhr fort, sie mit offenem Mund anzustarren. Wenn ich nicht von der Witwe in Thisp gewußt hätte, hätte ich schwören können, daß er völlig hingerissen war.
    Nicht lange darauf meldete sich Didir wieder. »Sie wollen dich fangen, Peter, im Auftrag von jemandem. Die Hexe weiß jedoch nicht, von wem. Der Examinierer trägt aber etwas Gefährliches in der Tasche, etwas, das dich hilflos macht. Sei vorsichtig.« Und sie verschwand wieder. Die Spielfiguren verweilten nicht in meinem Kopf. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, ob sie Höflichkeit oder Unbehagen dazu trieb. Weigerten sie sich aus Freundlichkeit mir gegenüber, mich zu besetzen oder weil mein Kopf kein angenehmer Aufenthaltsort für sie war? Solange ich es nicht wußte, reichte es, um mich klein und bescheiden zu fühlen.
    »Die Regel sagt, nimm den Unterherold zuerst, Chance, aber wir brechen diese Regel. Da wir gewarnt sind, sollten wir sie zuerst ziehen lassen. Ich werde herausbekommen, wie sich die Domäne anfühlt. Meines Erachtens beabsichtigt die Hexe, bald zu ziehen. Kannst du über diese Entfernung einen Flirt anfangen?«
    »Spiel ist also angesagt?« Er murmelte etwas, das ich nicht verstand, und sagte dann: »Gut, wenn sie mir ein Zeichen gibt, fällt es mir wohl nicht schwer, meine alten Knochen in Bewegung zu setzen.« Und nickte, mit sich selbst zufrieden. Alter Gauner. Er hatte recht. Spiel war angesagt.
    In einem formellen Spiel, einem Großen Spiel, hatte die Ankündigung gemäß der Spielregeln des Großen Spiels zu erfolgen, durch Herolde, die die Gründe und Ursachen ausrufen, die Konsequenzen und Folgen. Im Großen Spiel wußte jeder, wer spielte und warum und was für ein Pardon eventuell gegeben würde. Dann gab es Spiele zu zweit, die beinahe ebenso formell waren. Einer rief das Spiel aus, und der andere antwortete in Gegenwart von Freunden und Landsleuten. Es gab auch geheime Spiele, verdeckte Spiele, aber sogar diese mußten, wenn man nach den Regeln spielte, angesagt werden. Die Ankündigung konnte aber auch bereits ein Teil des Spiels sein. Wenn der Gegner ein Dämon war, konnte die Ankündigung einfach der Gedanke daran sein. Wenn es sich um einen Ranzelmann handelte, war die Ankündigung vielleicht versteckt. Falls es ein Seher war, konnte die Entscheidung für das Spiel bereits als Ankündigung desselben gelten. Ein wahrer Seher, galt als Begründung, würde es in seiner Zukunft SEHEN. Es gab ungeheuer viele Möglichkeiten. In unserem Fall hatte der Waffenträger auf sich aufmerksam gemacht, und die Hexe hatte an das Spiel gedacht. Das war genug der Ankündigung. Die einzige Ungewißheit bestand nur noch darin, ob die Gruppe vor uns wußte, daß ich tun konnte, was Didir eben getan hatte. Nun ja, und wenn schon! Spiel war angesagt. Also dann …
    Wir ritten weiter, die Gruppe vor uns war nur geringfügig langsamer als wir, so daß wir allmählich aufschlossen und der Hexe näher und näher kamen.
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