Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent

Titel: Das Wahre Spiel 03 - Das dreizehnte Talent
Autoren: Sheri S. Tepper
Vom Netzwerk:
in enganliegendes Leder gekleidet, auf das katzenhafte Streifen gemalt waren. Die krabbenartige Haltung des Waffenträgers erlaubte diesem, beim Reiten rückwärts auf uns zu starren.
    »Beobachten die uns?« fragte ich Chance. »Wie lange schon?«
    »Seitdem wir sie sehen, Bursche. Und sie waren nicht weit von uns entfernt. Sie könnten von dem Hügel vor dem Tor losgeritten sein, gerade so weit vor uns, daß es wie ein zufälliges Zusammentreffen aussieht.«
    »Warum?«
    »Warum?« Er schnaubte. »Warum ist der Himmel blau und das Gras grün? Warum steckt Himaggery voller Pläne? Warum sorgt sich Mertyn um einen Wandlerjungen, der mehr Talent als Grips hat? Ich bin es nicht, um den sie sich Gedanken machen.«
    »Ich etwa?« Ich ließ es mir durch den Kopf gehen. Seitdem ich die Schulstadt verlassen hatte, war ich von irgendeiner Gruppe verfolgt worden, sei es im Auftrag von Huld, dem Dämon, sei es im Auftrag Priondes, des Hochkönigs, oder der Zauberkünstler. Die Zauberkünstler waren bis auf einen einzigen tot, so weit ich wußte, doch Huld und Prionde weilten noch unter den Lebenden. Wenn ich mir nicht noch einen weiteren Feind gemacht hatte, von dem ich nichts wußte …
    Falls jemand diese Gruppe hier zusammengestellt hatte, um ein Spiel gegen mich zu gewinnen – dieses Mich, das ich hier offenbar war –, dann hatte er gut gewählt. Sowohl der Unterherold als auch der Examinierer konnten LESEN, wenn auch nicht über eine große Entfernung. Der Waffenträger und der Examinierer konnten beide FLIEGEN. Die Hexe und der Examinierer konnten etwas Kraft speichern. Dazu kam, daß der Unterherold sich von einem Ort zum anderen portieren konnte – nicht so weit und so rasch wie ein Portierer, aber unvorhersehbar –, und er besaß ein begrenztes Talent zum SEHEN. Die Hexe besaß außerdem die Fähigkeit, Feuer zu machen (ihr Talent der Betörung beunruhigte mich nicht weiter), und gemeinsam stellten sie einen formidablen Spielsatz dar.
    Ich fragte mich, was sie wohl über mich wußten. Wenn Huld sie geschickt hatte, wußten sie zuviel. Falls es Prionde gewesen war, wußten sie vielleicht nicht genug, um mir wirklich Schwierigkeiten zu machen. Und falls es jemand anderes war? Der Gedanke war wirklich interessant.
    »Welches Spiel? Mit welchem Ziel?« zitierte ich leise, nur für Chances Ohren bestimmt.
    »Kein Spiel so nahe bei Himaggerys Domäne, Junge. Etwas weiter entfernt dürfte es dann ein Spiel auf Tod oder Gefangenschaft sein, oder? Was sonst?«
    »Ich frage mich, was ich tun soll«, überlegte ich, mehr zu mir selbst, aber Chance schnaubte wieder.
    »Bist du zur Schule gegangen oder ich? Fünfzehn Jahre hast du hinter dir, mehr oder weniger, aber ziemlich verlorene Zeit, wenn du dabei nichts gelernt hast. Wie lautet die Regel in einem Fall wie diesem?«
    »Die Regel sagt, nimm zuerst den Unterherold«, erwiderte ich. »Es taugt aber nichts, an ihnen herumzumetzeln, wenn es nur unschuldige Reisende sind. Ich möchte gern sicher gehen.«
    »Also abwarten, bis sie SPIEL rufen? Dann könntest du zu lange gewartet haben.« Er preßte seine Lippen fest zusammen und funkelte mich an. Das tat er, wenn er sich Sorgen machte.
    »Es gibt andere Wege«, sagte ich. Verdeckt von dem schweren Fellmantel, wühlte ich in dem Beutel, der die Spielfiguren enthielt. Ich brauchte Didir. Sie floß in meine Finger, und ich fühlte ihre trockene Schärfe, als sie meinen Arm entlang in mich hineinrann. In letzter Zeit hatte sie die Formalitäten fallengelassen und sprach nicht mehr mit mir, sondern LAS einfach in meinem Kopf, was sie dort vorfand. Ich lies sie LESEN, was ich sah. Ein Augenblick verstrich.
    »Ich werde zuerst die Hexe LESEN«, flüsterte sie dann. »Kleiner Geist, großes Ego, kein Talent zum LESEN, das uns verraten könnte. Reite einfach weiter, während ich nach ihr greife …«
    Also ritt ich weiter, deutete hier auf die Landschaft und dort auf einen erstaunlichen Vogel, ganz wie ein neugieriger Kaufmann, dem außer dem Gedanken an seine nächste Mahlzeit und dem Gewinn des Tages nichts weiter durch den Kopf ging. Heimlich betrachtete ich jedoch die Hexe in der Gruppe vor uns. Schließlich haben ja Wandler einen Vorteil vor anderen. Sie, also auch ich, sind imstande, ihr Sehvermögen so zu schärfen, daß sie damit meilenweit entfernt von ihnen die Gänsehaut an einem frierenden Hinterteil sehen können. Ich hatte deshalb keine Schwierigkeiten, die Hexe näher zu betrachten, und was ich sah, gefiel mir überhaupt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher