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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte
Autoren: Tommy Krappweis
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Mailand drei weitere Stunden durch die Stadt, bis wir schließlich wieder an dem gleichen Sportwagen vorbeifuhren, der uns damit zu verstehen gab, dass wir im Kreis gefahren waren. Es sollte bis lange nach Mitternacht dauern, bis wir dank mehrfachem Nachfragen und diversen energischen Gesten der Befragten endlich auch die Vororte und Industriegebiete hinter uns gelassen hatten. Erschöpft bogen wir schließlich links auf einen Fußpfad ab, breiteten dort auf einem schmalen Grasstreifen am Rande eines Laubwaldes unsere Plastikdecken aus und schliefen sofort ein.
Ein seltsames Donnern weckte mich unsanft, und ich schreckte hoch. Da wurde ich auch schon von Peter am Arm gerissen und unsanft hinter einen Baum zwischen die Fahrräder geschubst. Wo wir eben noch gelegen hatten, schob sich eine riesige Kuhherde vorbei und trampelte unsere Plastiktischdecken in den steinigen Boden.
Der Bauer sah uns komisch an, machte sich aber ansonsten nichts draus und trieb seine Herde weiter auf die nahe gelegene Weide.
Wir waren zwar nicht ausgeschlafen, dafür jetzt aber hellwach. Also packten wir unsere Sachen auf die Räder und fuhren los.

Seit unserer Abfahrt in München waren wir immer nach Süden geradelt. Ab Mailand ging es jetzt quer durch die Lombardei in östliche Richtung. Bis zu unserem Ziel nach Lignano hatten wir jetzt noch ungefähr 350 Kilometer zurückzulegen. Da die Fernverkehrsstraßen in Italien schon damals sehr stark von Lkw befahren waren, versuchten wir, möglichst auf Nebenstraßen zu bleiben, was aber sehr schwierig war.
Die kleinen Straßen verbanden nämlich immer nur eine Ortschaft mit der anderen und wechselten daher laufend die Richtung. Es blieb uns deshalb nichts anderes übrig, als immer wieder abzusteigen, um auf der dürftigen Landkarte nach dem Weg zu suchen. Wir waren aufgrund der Hitze dankbar um jeden Fluss und jeden Bach, in dem wir uns abkühlen konnten.
Nachdem wir ungefähr 100 Kilometer weit gefahren waren, hatte sich die Landschaft allerdings geändert.
Straßen, die nicht geteert, sondern gepflastert waren, führten kilometerlang immer nur geradeaus. Es gab kaum Bäume, wenige Ortschaften, muffige Gewässer und heftigen Gegenwind: Wir waren in der Poebene.
Trotzdem versuchten wir jetzt, jede Pause zu vermeiden, denn sobald wir anhielten, wurden unsere blanken, verschwitzten Körperteile von Stechmücken überfallen.
Die Nacht versuchten wir, irgendwo zwischen Mantua und Padua im Freien zu verbringen. Obwohl es sehr schwül war, zogen wir wegen der vielen Mücken zum Schlafen lange Radhosen an. Mit dem Kopf schlüpften wir samt Radkäppi unter die Decke, und die Hände schützten wir mangels langer Handschuhe mit Socken. Obwohl Tausende Frösche ununterbrochen versuchten, uns in allen möglichen Tonlagen in den Schlaf zu quaken, machten wir kein Auge zu.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir so dalagen. Ich kann mich nur noch erinnern, dass wir mitten in der Nacht total genervt aufstanden und einfach wieder weiterfuhren.
In der Nähe von Padua machten wir in aller Früh unsere gewohnte Frühstückspause.
Ich hätte mich sehr gerne irgendwo in der Sonne noch etwas hingelegt und meinen versäumten Schlaf nachgeholt, aber mein Freund wurde immer unruhiger, je näher wir seiner Freundin kamen.
So kurbelten wir die letzten hundertzwanzig Kilometer immer noch bei heftigem Gegenwind und nur von einer kurzen Mittagspause unterbrochen, bis wir schließlich unser Ziel Lignano erreichten.
Und während der Peter in den nächsten Tagen nur Augen für seine Freundin hatte und für sonst nichts anderes um ihn herum, sah ich zum ersten Mal in meinem Leben das Meer.
Ich war wie verzaubert. Mächtig und unendlich lag es vor mir, bereit, erforscht zu werden. Ich wäre am liebsten sofort auf das nächste Schiff gestiegen und losgesegelt. Stattdessen blieb ich einfach ein paar Stunden still sitzen und schaute zu, wie die Sonne im Meer versank.
Wir hatten in den vergangenen sechs Tagen etwas mehr als 1000 Kilometer zurückgelegt. Somit war ich ganz dankbar über eine Verschnaufpause. Die kommenden Tage waren gefüllt mit Schwimmen, Spaghetti, Pizza und dem Peter beim Knutschen zusehen. Davon hatte ich dann doch bald genug, und es zog mich wieder in den Sattel.
Außerdem betrug der kürzeste Weg nach München immerhin 550 Kilometer, und wir hatten dafür drei Tage eingeplant.
Der Abschied fiel besonders dem Peter schwer, als wir uns nach einem gemeinsamen Mittagessen wieder auf den Weg machten. Mir fiel
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