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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane
Autoren: Cecilia Grant
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konnte. In Geldnot würde sie dann nicht mehr sein, also bestand keine Gefahr, dass sie in Versuchung kommen würde, sie zu verkaufen.
    Er schloss die Finger über der Dose, dann sah er sie wieder an. Wenn er die Hand bewegte, glitzerte die Emaille im Mondlicht.
    Heute Abend grübelte er einfach zu viel. Solange er nicht Herr seiner Gedanken war, würde er miserabel spielen. Abermals verbarg er die Dose in der Hand und zog den Arm zurück.
    Gerade wollte er sie wieder einstecken, da hörte er Schritte auf dem Korridor. Ohne so recht zu wissen, weshalb, sank er wieder in den Schatten des Sessels und zog die Füße aus dem einfallenden Mondlicht. Sonderbar, was der Krieg für unerklärbare Reflexe bei ihm hinterlassen hatte. Es war ja nicht so, als wären die Franzosen dafür bekannt gewesen, sich an jeden Mann einzeln heranzuschleichen. Und natürlich war es sehr unwahrscheinlich, dass die Schritte eine Bedrohung für ihn darstellten.
    Zwei Paar Füße waren es, das eine leichter als das andere, und sie kamen unverkennbar in seine Richtung. Ein Mann und eine Frau. Ja, das hätte er sich denken können. Er hatte sich selbst oft genug zu diesem Zweck bei irgendeiner Zusammenkunft eines dunklen Raums bedient, in seinen unbeschwerten Tagen.
    Irgendetwas hielt ihn davon ab, sofort aufzustehen. Vielleicht die Aussicht, erklären zu müssen, was er hier ganz allein in der Dunkelheit getrieben hatte. Oder seine Sturheit, denn schließlich war er zuerst hier gewesen; warum also sollte er ihren verkommenen Absichten weichen? Jedenfalls saß er noch immer im Sessel in der Dunkelheit, als zwei Silhouetten sich im Türrahmen abzeichneten und den Raum betraten. Die größere Person wandte sich um, um leise die Tür zu schließen, und kurz bevor es ganz dunkel wurde, blinkte im letzten Licht aus dem Korridor ein grüner Manschettenknopf auf.
    Roanoke mit seiner Geliebten. Oder vielleicht mit einer anderen Frau – das war eigentlich wahrscheinlicher, denn mit seiner Geliebten konnte sich Kieferknochen ja auch zu Hause in Ruhe vergnügen, anstatt in dunklen Winkeln herumzuschleichen. Die Tür schnappte ein und Will gab den Gedanken, sich unverzüglich zu empfehlen, auf. Sie sollten lieber erst anfangen, und wenn sie abgelenkt waren, würde er sich davonstehlen. Vielleicht konnte er vorher noch die Identität der Dame in Erfahrung bringen – doch zu welchem Zweck? Falls Miss Slaughter betrogen wurde, ging ihn das nichts an. Wollte er sich etwa beim Essen einen Platz an ihrer Seite ergaunern und vage, düstere Andeutungen darüber machen, was er gesehen hatte?
    Die Frage erübrigte sich. Die beiden gingen direkt auf den Fenstererker zu, und er erkannte sie schon an ihrer Haltung. Aufrecht und irgendwie unnahbar, so als hielte sie sogar die Luft, die sie umgab, auf Distanz. Als sie den Erker betraten, hätte er die Hand ausstrecken und ihre Röcke berühren können – Gott sei Dank, dass ihre Augen sich noch nicht so gut an die Dunkelheit gewöhnt hatten wie seine. Die Gardinenringe schrammten über die Stange und das Mondlicht verschwand fast völlig. Dann Stille, bis auf das leise Rascheln von Stoff. Was auch immer sie als Nächstes vorhatten, verlangte offenbar keine Worte.
    Zweifellos gab es Männer, die es genossen hätten, heimlich Zeuge solcher Geschehnisse zu werden. Gern hätte er einem von ihnen seinen Platz überlassen. Alles, was er gewollt hatte, war eine Viertelstunde Ruhe und Dunkelheit; jetzt musste er sich den müden Kopf darüber zerbrechen, wie er diesen Raum – auch wenn er in jeder Hinsicht den besseren Anspruch auf ihn hatte – am besten ungesehen verlassen konnte.
    In dreißig Sekunden würde er es versuchen. Vorher würden sie vielleicht nicht ausreichend abgelenkt sein. Wenn er aber länger wartete, würden sich ihre Augen zu gut an die Dunkelheit gewöhnt haben.
    Unartikulierte Laute kamen zum Rascheln des Stoffs hinzu. Vorsichtig legte er die Hände auf die Armlehnen. Zwanzig Sekunden. Nicht mehr.
    Zum Henker mit diesen brünstigen Narren. Zum Henker mit ihr, dass sie es Kieferknochen gestattete, sie auf diese Weise zu benutzen, keine vierzig Minuten nachdem er auf so schändliche Weise mit ihrem Namen hausieren gegangen war. Bedeutete ihr denn ihre Würde gar nichts? Dann würde auch er sich keine Gedanken mehr darüber machen, bloß damit Cathcart ihn damit aufziehen konnte.
    Neunzehn, zwanzig. Sie schienen beschäftigt zu sein. Behutsam erhob er sich aus dem Sessel und warf einen verstohlenen Blick
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