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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane
Autoren: Cecilia Grant
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hinter dem Regal hervor, nur um sicherzugehen, dass sie ihn nicht bemerken würden.
    Im Aufstehen hielt er inne.
    Er war auf etwas Schäbiges vorbereitet gewesen, auf einen rohen Akt zwischen einem zudringlichen Grobian und einer Dirne, die ihr Metier bei Mrs Parrish gelernt hatte. Und natürlich war es an sich schon schäbig, sich überhaupt in die Bibliothek zurückzuziehen, und Kieferknochen war schäbig, den Mund an ihrem Hals, die Hände überall auf ihrem Körper.
    Doch
sie 
… Er wollte verdammt sein, wenn er auch nur annähernd das richtige Wort dafür fand, sie zu beschreiben.
Schäbig
war jedenfalls weit gefehlt.
    Mit erhobenem Kinn und geschlossenen Augen stand sie vor dem Vorhang und ihr Körper wiegte sich voller Lust. Will sah zu, wie sie die Arme – nackt, wie er jetzt erkannte – über den Kopf hob und mit schlangenartiger Anmut die Handgelenke kreuzte wie eine jener Tänzerinnen, die einen Mann verhexen und dazu bringen konnten, einem anderen Mann den Kopf abzuschlagen. Ihre nackten Finger gruben sich in eine Falte des Vorhangs, und er wusste, wie sich der Samt anfühlen musste – üppig und sinnlich wie das Schnurren einer Katze. Er wusste auch, wie es sich anfühlen würde, der Samt zu sein und sich bereitwillig von ihr einfangen zu lassen.
    Er klammerte sich am Bücherregal fest und ließ den Blick an der geschmeidigen Kurve ihres erhobenen Arms hinabwandern, bis er wieder auf ihrem erhobenen Gesicht ruhte. Hatte er etwas an ihrer Schönheit auszusetzen gehabt? Im Mondlicht, so gedämpft es auch war, sah er, wie sie wirklich war. Ihre markanten Züge warfen wilde Schatten; Licht und Dunkelheit tanzten ihr verwegen über Nase, Wangen und Kinn. Ihre Haut war blass wie der Mond selbst, blass und verlockend wie ein Opal am Grunde eines stillen Sees. Ein blasser Hals. Blasse Schultern. Blasse Brüste, die herrlich geformt waren und fast aus dem in Unordnung gebrachten Mieder quollen. Doch dort würde er nicht hinschauen. Überhaupt sollte er jetzt endlich gehen.
    Ein letzter Blick in ihr Gesicht. Sie neigte den Kopf ganz leicht nach links, dann nach rechts, wie um die Muskeln ihres Genicks zu dehnen; dann ließ sie das Kinn sinken und brachte die Komposition von Licht und Schatten zur Ruhe. Und dann öffnete sie die Augen und blickte direkt in seine.
    Sie sagte nichts. Sie stob nicht davon, zerrte nicht hastig an ihrem Mieder, das ihr Liebhaber hinabgezogen hatte, und bedeckte sich auch nicht züchtig mit den Armen. Nur ihre aufgerissenen Augen verrieten, dass sie sich entblößt fühlte. Und auch das nur für den Bruchteil eines Augenblicks, der allerdings ausreichte, um Will das Gefühl zu geben, ein entsetzlicher Flegel zu sein.
    Die Ecke des Bücherregals grub sich schmerzhaft in seine Hand, doch er konnte sich einfach nicht abwenden, geschweige denn sich entschuldigend verneigen und aus dem Raum stürzen. Wie erstarrt stand er da, während sie die Fassung wiedererlangte und ihr Gesicht einen trotzigen Ausdruck annahm.
Verurteile mich, wenn du es wagst.
Dann verschwand auch dieser Ausdruck und sie setzte wieder ihre falkenhafte, ausdruckslose Miene auf. Sie sah an ihm vorbei, durch ihn hindurch, und dann ganz weg.
    Er war es nicht wert, von ihr beachtet zu werden. Ob er zusah oder nicht, hatte nicht mehr die geringste Bedeutung für sie. Ihre Hände verließen ihren Platz am Vorhang und kamen mit tänzerischer Geschmeidigkeit auf den Oberarmen des ahnungslosen Roanoke zu liegen, der während des kurzen Dramas an ihrem Hals zugange gewesen war, jetzt aber begann, ihre Röcke zu raffen.
    Und endlich ließ Will das Regal los. Was jetzt kam, wollte er nicht sehen. Vermutlich würde er es in seinen Träumen sehen, und das wäre bereits Qual genug.
    Ein Anflug von Starrsinn zwang ihn in eine Verneigung. Sie sah nicht zu ihm herüber, und weder sie noch König Kieferknochen blickten auf, als er sich mit einiger Verspätung endlich leise zur Tür stahl, sie gerade weit genug öffnete, um hindurchschlüpfen zu können, und sie dann geräuschlos hinter sich schloss.
    Sie erschienen nicht zum Abendessen. Will kämpfte sich durch drei Gänge, doch der tollkühne Hunger in seinem Magen nagte unbesänftigt weiter.
    Zwecklos. Sie war nichts für ihn. Sie gefiel ihm, und sie regte seine Fantasie an, zugegeben, doch das machte sie keineswegs einzigartig unter den Frauen. Wenn er sich irgendwann wieder auf eine Frau einlassen würde, dann müsste sie schon noch ein paar weitere Qualitäten vorzuweisen haben.
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