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Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)

Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis von Atlantis ("Alantis"-Trilogie) (German Edition)
Autoren: Marliese Arold
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Beim zweiten Mal weigerte sich sein Körper einfach. Ricardo konnte nicht einmal an der Tasse nippen, in der so grauenvolle Zutaten wie Haifischflossen und das Knochenmehl eines Pottwals herumschwammen. Am schlimmsten aber war der Ingwer. Ricardo hasste Ingwer. Er bekam davon immer schreckliches Hautjucken. Nein, er würde dieses Gesöff kein zweites Mal trinken – außer vielleicht, man bedrohte ihn mit einer Pistole. Die Frage war nur, wie er sich jetzt in einen Delfin verwandeln konnte. Früher hatte der Gedanke an die Verwandlung genügt. Doch seit Zaidons Tod war alles anders. Die Meereswandler hatten die Fähigkeit verloren, aus eigener Kraft die Gestalt zu wechseln. Wenn sie es taten,dann brauchten sie dazu allerlei Hilfsmittel – und diese waren rar und wurden nur hinter vorgehaltener Hand weitergegeben. Und das Rezept, das Ricardo von Zaidon bekommen hatte, war darüber hinaus auch noch widerlich.
    Es muss andere Möglichkeiten geben, dachte Ricardo, während er am Strand stand und sah, wie die Wellen sacht heranrollten. Er hielt die Spieluhr in der Hand. Die beiden springenden Delfine, die auf dem Deckel angebracht waren, blitzten und funkelten, als führten sie ein Eigenleben. Angeblich stammte die Spieluhr aus Atlantis, das vor sechstausend Jahren untergegangen war. Ricardo wusste nicht, ob das stimmte oder nur ein Gerücht war. Aber vielleicht enthielt die Spieluhr ja Magie, die stark genug war, Ricardo in einen Delfin zu verwandeln. Zaghaft öffnete er den Deckel. Sofort erklang wieder die leise Melodie, die ihn schon am Abend zuvor im Hotelzimmer verzaubert hatte. Wenn er die Augen schloss und der Musik zuhörte, dann sah er Bilder vor sich – einen Palast mit goldenen Türmen, wunderbare Gärten und tiefblaues Wasser, in dem sich Delfine tummelten … Ricardo hatte geglaubt, den Wind auf seiner Haut spüren zu können. Die Melodie war wunderbar und hatte eine Saite in seinem Herzen zum Klingen gebracht, die er sonst kaum kannte: Wehmut und große Sehnsucht nach einem Paradies, in dem alle glücklich lebten.
    Ricardo war normalerweise jemand, der mitten im Leben stand. Er verlor sich nicht in Träumen. Wenn er einen Auftrag bekam, versuchte er, ihn zügig zu erledigen, ohne groß darüber nachzudenken, ob er einem Fremden dadurch Unrecht oder Schaden zufügte. Ricardo hatte schon etliche Leute verraten und gezwungen, in Zaidons Dienste zu treten, obwohl er wusste, dass die meisten dann für immer verschwanden und niemals zurückkamen. Durch sein Handeln waren Familien auseinandergerissen worden, Väter waren verschwunden und Mütter hatten ihre Kinder alleingelassen. Ricardo hatte im Meer Fallen aufgestellt und am Telefon Drohungen ausgesprochen, um den Druck auf die Betroffenen zu verstärken. Er wusste, wie Psychoterror funktionierte, und hatte ihn ohne Bedenken angewandt. Jede Spur von schlechtem Gewissen hatte er bisher erfolgreich verdrängt.
    Doch gestern Abend hatte er geweint und sich in seine Kindheit zurückgewünscht, als das Leben noch hoffnungsvoll vor ihm lag. Er hatte sich danach gesehnt, seine schlechten Taten ungeschehen zu machen. Er hatte gehofft, dass ihm alle Leute, denen er geschadet hatte, verzeihen würden.
    Zum Glück war niemand im Hotelzimmer gewesen und hatte gesehen, wie die Tränen über sein Gesicht strömten und er sich in das Kopfkissen vergrub. Könnte er doch alles ungeschehen machen! Hätte er sein Leben nur anders gelebt! Hätte er Zaidon niemals kennengelernt oder sich zumindest geweigert, in seinen Dienst zu treten!
    Dies alles hatte die sanfte Melodie der Spieluhr bewirkt, sie hatte aus Ricardo ein heulendes Elend gemacht. Erst am späten Abend hatte er sich wieder gefangen und sich schrecklich für sein jämmerliches Verhalten geschämt. Dann hatte er die Minibar geleert und sich betrunken. Am nächsten Morgen war er mit schrecklichen Kopfschmerzen aufgewacht und beim Frühstück brachte er kaum etwas hinunter.
    Jetzt waren seine Kopfschmerzen weitgehend verflogen. Ricardo konzentrierte sich auf die Spieluhr und versuchte zu verhindern, dass die zarte Musik wieder sein Herz berührte. Er fuhr mit rauen Fingern den unteren Rand des Deckels nach, wo in klitzekleiner Schrift das Gedicht eingeritzt war. Dann griff er nach der Kette, die sich im Innern der Spieluhr befand. Der Anhänger war wirklich seltsam, so ein Material hatte Ricardo noch nie gesehen. Allerdings war er auch kein Experte für Mineralien. Als er seine Hand um den Anhänger schloss, schien
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