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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Joël Tan
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seinen Entschluss, den er gleich zu verkünden gedachte. Schon auf seiner Reise von seinem Sitz auf der Burg Hagen, wo er die letzten Wochen verbracht hatte, bis nach Hamburg, war ihm die Lösung klar geworden. Und schon jetzt wusste er, dass seine Entscheidung für viele kaum nachzuvollziehen sein würde. Dennoch, er blieb dabei, und er hatte gute Gründe. Selbst wenn er das Oberhaupt des Bistums Bremen war, welches auch die Gewalt über das Domkapitel Hamburg beinhaltete, und er niemandem außer Papst und Kaiser Rechenschaft schuldig war, wusste Giselbert gleichwohl, dass einige Männer Macht über ihn besaßen. Macht durch Geld, oder Macht, dargestellt durch das bloße Erheben eines Fingers. So war der Scholastikus ebenso stimmberechtigt bei der Wahl des Erzbischofs wie der Propst und der Dekan. Jene Männer sollte er sich besser nicht zum Feind machen – jedenfalls dann nicht, wenn er nach sich seinen Brudersohn Florenz von Brunkhorst auf dem Bischofsstuhl und seinen Brudersohn Ludwig von Brunkhorst auf dem Stuhl des Propstes sehen wollte. Der Geistliche gab sich einen Ruck und atmete noch einmal tief ein und aus. Dann ließ er seinen Beschluss verlauten.
    »Acht Jahre sind nun vergangen, werte Herren. Acht Jahre voller Uneinigkeit. Ich empfinde es als meine Christenpflicht, Euch von dieser Marter zu erlösen. Meine Entscheidung habe ich mir nicht leichtgemacht, dennoch ist sie wohlüberlegt. Obwohl ich im Jahre des Herrn 1281 selbst einer Concession zum Erlangen einer neuen Schule im Kirchspiel St. Nikolai, mit allen Rechten ausgestattet, zugestimmt habe, entscheide ich heute, Johannes von Hamme auch die Aufsicht über die Schule der Neustadt zu übertragen. Er soll nach freiem Belieben die geeigneten Magister zum Unterrichten der Jungen einstellen und diese auch besolden. Sollte das jährlich zu zahlende Schulgeld der Nikolaiten nicht ausreichen, um die Magister zu entlohnen, wird der Rat der Stadt die nötigen Summen zur Verfügung stellen. Was die Schüler betrifft, so verfüge ich heute, dass die Nikolaiten, wenn sie das Singen der Dur-Tonart beherrschen und demnach ausreichend gebildet sind, zur Marienschule zu wechseln haben, wo sie weiter unterrichtet werden sollen.«
    Schon während der Erzbischof sprach, kannte die Empörung der Neustädter und Ratsherren keine Grenzen. Wütend sprangen sie von ihren Plätzen auf und brüllten die Männer der gegenüberliegenden Seite an. Das eben Vernommene war einfach unglaublich. Erst nach einigen Versuchen drang die Stimme des Erzbischofs wieder durch das Gebrüll hindurch.
    »Mein Entschluss mag Euch Herren heute aufwühlen, doch in der Zukunft – dessen bin ich mir sicher – wird sich dieser Euch als weise zeigen. Bedenkt, ihr Brüder in Christo: So, wie der Heilige Vater allein auf seinem Stuhle und ich allein auf dem meinen sitze, so soll auch der Herr über unsere Schulen auf einem Stuhle allein sitzen. Denn wie wir im Johannesevangelium lesen können, sagt Jesus uns: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. Ich bin Euer Vater, Ihr seid meine Söhne. So sei es.«
    Die Worte Giselberts, welche eigentlich beruhigend auf die übervorteilten Männer hatten wirken sollen, verfehlten großartig ihren Zweck. Trotz päpstlicher Bulle und ungeachtet dessen, dass der Erzbischof noch wenige Jahre zuvor auf der Seite der Nikolaiten gewesen war, hatte er heute anders entschieden und die Schule der Neustadt kurzerhand zu einer unwichtigen Lehranstalt gemacht, die bloß noch dazu gut sein würde, Schüler für das Marianum vorzubereiten. Und als wäre dieser Umstand nicht schon schmählich genug, ward jetzt auch noch entschieden, dass Johannes von Hamme den Rat der Stadt beliebig auffordern konnte, Zahlungen an ihn zu leisten. Die Empörung der Nikolai-Bewohner und der Ratsherren erreichte ihren Höhepunkt, als die Versammlung von Giselbert von Brunkhorst mit einem letzten und sichtlich halbherzig ausgesprochenen Segen beendet wurde.
    Es blieb nichts mehr zu sagen. Als Erstes erhoben sich die zufriedenen Geistlichen und die Bürger des Kirchspiels St. Petri und ließen ihre schimpfenden Gegner unbeachtet zurück. Kurz darauf verließen auch die wutentbrannten Männer auf der Gegenseite ihre Plätze und schritten vor den Augen des Erzbischofs, der noch immer auf dem Platz des Propstes weilte, die Treppe des Chors hinunter ins Mittelschiff.
    Giselbert von Brunkhorst blieb bewusst
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