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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Autoren: Brigitte Endres
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rühren, hätte sie nur danach greifen müssen. Aber sie war wie gelähmt. Ihre Stirnader klopfte. Ihre Hände klebten. Warum verfolgte sie dieser geheimnisvolle Vogel? Drehte sie jetzt völlig durch? – Es gab Krankheiten, bei denen man sich verfolgt fühlte. Geisteskrankheiten.
    Unversehens öffnete die Amsel den Schnabel. Mit einem Klack landete das Glitzerding auf der Bank. Und schon flatterte der Vogel hoch, um sich mit geschmeidigen Flügelschlägen der Sonne entgegenzuschwingen. Josie versuchte, ihm nachzusehen, doch zwang sie das grelle Licht, die Augen zu schließen.
    Als sie sie wieder öffnete, lag neben ihr ein kleiner Gegenstand. Verstört nahm sie ihn an sich und hielt eine feine Goldschmiedearbeit in Händen. Ein metallischer Stab, etwa so lang wie ihr kleiner Finger, der von einem Herz aus geschliffenem Glas oder Kristall gekrönt wurde. Flankiert wurde das Herz von zwei Drachenköpfen, die zu einer goldenen und einer silbernen Schlange gehörten, die sich gegenläufig um den Stab wanden. Ein Dorn auf der Rückseite diente offenbar der Befestigung an einem Kleidungsstück. Für eine Gürtelschnalle war das Schmuckstück zu klein. Wahrscheinlich war es eher eine Brosche.
    Ein Donnern, dem ein gewaltiges Zischen folgte, riss ihre Aufmerksamkeit jäh an sich. Mit der Urgewalt eines Geysirs schnellte eine majestätische Fontäne in den Himmel. Unmittelbar darauf trieb der Wind eine wassergesättigte Wolke auf sie zu. Josie fuhr hoch und sprang instinktiv einige Schritte zurück.
    »Ouch!« Wütendes Kläffen folgte.
    Josie drehte sich erschrocken um.
    Ein dunkel gekleidetes Mädchen mit kohlschwarzen Haaren, das mit zwei heftig an den Leinen zerrenden Hunden kämpfte, schimpfte mit schmerzverzerrter Grimasse vor sich hin. Ihre Worte, die dem Tonfall nach nicht eben freundlich klangen, verschluckte das Tosen der Fontäne. Josie wurde rot. Wie peinlich! Sie musste die Fremde ordentlich getreten haben!
    »Sorry!«, murmelte sie, während sie die Hunde nicht aus den Augen ließ, denn der kräftige Boxer fletschte die Hauer und knurrte aggressiv.
    Das Mädchen schien Mühe zu haben, ihn und einen großen Retriever zurückzuhalten. »Welcome!«, zischte es durch die Zähne.
    Ohne den Blick zu heben, brummelte Josie eine weitere Entschuldigung und rannte zur gegenüberliegenden Seite des Brunnens, wo sie atemlos stehen blieb. In ihren Ohren dröhnte der mächtige Wasserstrahl, in ihren Gedanken das Erlebnis mit der Amsel und der mysteriösen Brosche.
    Unschlüssig, was sie mit dem Schmuckstück anfangen sollte, steckte sie es fürs Erste an den Bund ihrer Jeans.
    Als der Brunnen die Riesenfontäne wieder verschlungen hatte, schlug Josie einen Bogen durch den Park. Verdammt, was geschah da mit ihr? – Produzierte ihr Gehirn all diese verrückten Trugbilder? Sie tastete nach der Brosche. Sie war definitiv da! Hart und metallisch kalt. Ein Ding von dieser Welt. Josie schluckte. – Ein Ding von dieser Welt …?
     
    Als Taddy am frühen Abend nach Hause kam, war Josie längst von ihrem Erkundungsgang zurück. »Wie war dein Tag? Hast du dich sehr gelangweilt, so ganz allein?«, erkundigte er sich, mit der Besorgnis eines schlechten Gewissens.
    »War okay, hab mir ein bisschen die Gegend angesehen«, antwortete Josie, während sie überlegte, ob sie Taddy die Sache mit der Brosche erzählen sollte. Schließlich rang sie sich doch dazu durch.
    Josies Vater hörte sich die neue Amselgeschichte mit unverhohlener Skepsis an. Als Josie ihm die Brosche reichte, betrachtete er sie eingehend. Schließlich kratzte er sich am Hinterkopf. »Hübsch gemacht, sehr filigran. Sieht aus wie eine antike Fibel mit zwei Lindwürmern.«
    Josie sah ihn fragend an.
    »Eine Gewandspange. Eine antike Sicherheitsnadel, wenn du so willst. Wahrscheinlich eine Nachbildung.«
    »Und die Schlangen sind Lindwürmer?«
    »Denke schon, Drachen oder so etwas – Fabelwesen.« Nachdenklich drehte er Josies Fund um und um. »Wie die sich so um den Stab winden … Sieht fast aus wie bei der DNS-Spirale.«
    Josie lag eine spöttische Bemerkung auf der Zunge. Taddy sah einfach alles und jedes von seinem Fachgebiet aus, aber da gab ihr Vater ihr das Schmuckstück schon zurück. »Und die soll diese komische Amsel fallen gelassen haben?«
    »Genau, wie ich gesagt hab. Klack, und das Ding lag auf der Bank. Dann ist der Vogel weggeflogen.«
    »Eine Amsel mit einem weißen Brustfleck«, murmelte Taddy. Einen Atemzug später warf er den Kopf zurück.
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