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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Autoren: Brigitte Endres
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verschluckt.
    »Ich, ich seh sie.« Josie stotterte vor Aufregung. »Sie hat einen weißen Brustfleck.« Obwohl die ganze Sache immer mysteriöser wurde, fiel eine zentnerschwere Last von ihr ab. Amy kannte die rätselhafte Amsel also auch und sie besaß die gleiche Fibel. Sie war nicht mehr allein mit dieser fantastischen Geschichte.
    »Wann hast du die Amsel zum ersten Mal gesehen?« Amys Stimme klang belegt.
    Josie versuchte, sich zu erinnern, aber in ihrem Kopf drehte sich alles. »Weiß nicht genau, Anfang Mai vielleicht.«
    Amy blickte ins Leere. »Anfang Mai«, wiederholte sie heiser. »Edna. Mein Gott.« Mit einem Aufschluchzen warf sie die Hände vors Gesicht.
    Josie sah sie bestürzt an. Von einem Moment auf den anderen schien Amy vollkommen abgetaucht zu sein. Josie wagte es nicht, sie anzusprechen. Irgendetwas Schreckliches musste passiert sein.
    Um Beherrschung ringend hob Amy den Kopf und begann, mit leiser Stimme zu erzählen, während sich die furchtbaren Ereignisse der Nacht zum 1. Mai wie ein Horrorfilm vor ihr abspulten.
    Der Wetterbericht hatte schon seit Tagen einen Tornado angekündigt. Das war nichts Besonderes, Tornados rasten fast jedes Jahr durch die Stadt. Kurz vor Mitternacht war sie aus einem Albtraum erwacht. Sie hatte sich schweißgebadet aufgesetzt, konnte sich aber nicht mehr erinnern, was genau sie geträumt hatte. Nur dass eine schaurige Stimme ihren Namen gerufen hatte, klang ihr noch wie ein düsteres Echo im Ohr. Jetzt, nachdem sie erwacht war, waberte nur mehr ein unheilvolles Gefühl durch ihr Bewusstsein. Das Licht der vom Sturm gebeutelten Straßenlaternen geisterte in wilden Sprüngen durch die Jalousien und ließ konfuse Streifenmuster an den Wänden aufblitzen und wieder verschwinden. Wie ein zorniger Drache fauchte das Unwetter durch die Häuserschluchten. Regen donnerte Schrotkugeln gleich gegen die Scheiben. Und dann hörte sie es wieder, dieses Rufen! Dieses gespenstische Rufen! War es nur der Sturm?  – Natürlich war es nur der Sturm! Verärgert über ihre kindische Angst sprang sie aus dem Bett, um ins Wohnzimmer zu gehen. Sie trat eben durch die Tür, als die Sirenen losgingen.
    »Mann, die lassen’s ja heute krachen da oben!«, sagte sie zu ihrer Großmutter, die, ihr den Rücken zugewandt, am Schreibtisch saß, und aus dem Fenster in die tobende Finsternis starrte, während die Flamme einer Kerze im Luftstrom des zugigen Rahmens ungestüm flackerte. »Arbeitest du noch?«
    Es war nicht ungewöhnlich, dass Edna um diese Zeit noch arbeitete. Vor einigen Jahren hatte sie ein Stück für ihre Laientheatergruppe geschrieben und dabei das Talent zum Schreiben entdeckt. Das allseitige Lob ermutigte sie, bei einem Drehbuchwettbewerb mitzumachen, bei dem sie überraschend den ersten Preis gewann. Seither schrieb sie Drehbücher. Eine Filmgesellschaft hatte bei ihr ein Script bestellt. Dark Fantasy, ein Genre, das ihr eigentlich nicht besonders lag. Aber sie hatte den Auftrag nicht abgelehnt, weil sie dringend Geld brauchten.
    Edna presste die Hand an die Schläfe. »Ich versuche, wenigstens noch eine von den Gruselszenen fertigzukriegen. Aber ich kann mich einfach nicht konzentrieren. Es liegt nicht nur am Wetter. Diese dunkle Stimmung, die bösartigen Charaktere  – irgendwie  … Das ist einfach nichts für mich! Wir Menschen brauchen gerade heute hoffnungsvolle Geschichten und positive Vorbilder! Unsere Herzen schwingen doch mit allem, was wir hören und sehen!  – Im Guten wie im Bösen. Durch die ausufernde Gewalt in den Medien wird die Welt ganz bestimmt nicht besser!« Sie wandte sich wieder ihrem Laptop zu. »Am liebsten würde ich den ganzen Kram hinschmeißen.«
    Schnuppernd wie ein Hase, der Witterung aufnimmt, kauerte sich Amy in den ausgeleierten Sessel, den sie schon als kleines Kind besonders geliebt hatte. »Sag mal, was stinkt da eigentlich so?«
    Edna fuhr herum, ihr Gesicht war mit einem Mal fahl, ja grau. »Dann riechst du es also auch!« Nach einer abwesenden Pause straffte sie sich. »Der Luftdruck ist stark gefallen. Wer weiß, was der Sturm alles vor sich hertreibt. Es braut sich etwas zusammen. Ich fühle es schon seit Tagen.«
    Obwohl sie sich bemühte, Gelassenheit vorzutäuschen, entnahm Amy dem Zittern ihrer Stimme, dass etwas nicht in Ordnung war. Dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war! Es stimmte: Seit Tagen war Edna zerfahren und unkonzentriert gewesen, hatte über Kopfschmerzen und schlechte Träume geklagt.
    »Bist du
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