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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis
Autoren: Angela Scherer-Kern
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Junge seine Hände in Richtung seiner Schwester und sagt ganz deutlich: „ Hele koke mai – komm schnell!“ Und er reicht ihr seine kleine Hand, die Elieano’o wie verzaubert ergreift. Der Kahuna nimmt den Jungen an die andere Hand. ‘Lo’ulan klettert vor. Der Kahuna folgt und zieht und hebt den Jungen Schritt für Schritt weiter nach oben. Der Kleine lässt Elieano’o nicht von der Hand und sie folgt ohne sich zu sträuben bis nach oben. Erst als sie in der Mitte des großen Felsplateaus sind lässt er sie los und will wieder auf den Arm seiner Mama.
    Die anderen sind schon zu der ersten Gruppe gegangen und zu Alēi’na . Sie sieht zur Lava, die langsam von weit oben hinunterfließt, laut zischend und alles verbrennt, was unter ihr ist.
    Sie stellen sich in einem Halbkreis um sie. Uhala’an steht neben ihr und hat einen Arm um sie gelegt und Kahuna - Koī stellt sich neben sie auf die andere Seite und legt auch einen Arm um sie. Tränen fließen über ihre Wangen, ein Strom von Tränen. Viele weinen.
    „Wo ist ‚ ’Alana ?“, presst Alēi’na heraus.
    „Sie ist nicht mitgekommen“, sagt der Kahuna .
    „Wieso?“, fragt Alēi’na mit tränenerstickter Stimme.
    „Sie ist sehr alt, auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen und meinen, sie könnte noch doppelt so alt werden, so müssen wir ihre Entscheidung akzeptieren, jetzt zu gehen. Ihre Beschämung war zu groß, sie schaffte es nicht in dieser kurzen Zeit, über ihren eigenen Schatten zu steigen. Als alle losgingen war sie plötzlich verschwunden. Wenn eine Seherin nicht gesehen werden will, dann kann keiner sie finden. Auch ich nicht. Ich werde sie sehr vermissen.“
    „Was sollen wir jetzt tun?“, fragt Elieano’o nach einer Weile mit ratlosen Augen. Kahuna - Koī merkt, dass er zu den Menschen aus dem Dorf sprechen muss, ihnen Trost geben muss, nach all dem, was sie gehört haben und nach all dem, was sie jetzt sehen. Ihr Dorf wird in kurzer Zeit zerstört sein. So stellt er sich zu ihnen und spricht:
    „Ihr wisst, dass wir an einem Punkt sind, der Veränderung bedeutet. Es wird etwas zerstört, doch wir alle zusammen werden in der Bucht hinter dem abgebrochenen Berg unser Dorf wieder aufbauen. Und ihr wisst, dass hier die Erde wächst und irgendwann wieder Pflanzen wachsen und uns eine reiche Fülle an Nahrung und Blüten schenken wird.
    Ich habe in der letzten Zeit viel nachgedacht und die Götter befragt. So, wie wir alles geplant haben wird alles auch weiterlaufen. Wir sind eine starke Gemeinschaft und werden es schaffen, durch diese unruhige Zeit zu kommen. Wir müssen nicht frieren und müssen nicht hungern und alles andere wird wieder aufgebaut. Jeder hat seine Aufgabe. Das, was kommen wird, klingt bedrohlich und macht Angst. Doch es ist noch einige Generationen hin, bis dies eintreffen wird und wir werden zusammen das bewahren, was uns die Götter sagen. Wir werden uns jeden Tag in Kreisen zusammensetzen mit der Kraft von ho'oponopono , und diese Angst heraussprechen, die uns jetzt erschüttert hat. Unser starkes Vertrauen in alles Göttliche um uns herum wird wieder voll und ganz zu uns zurückkehren. Wir werden uns reinigen und Gebete sprechen und Gebete tanzen.
    Ihr habt gehört, dass irgendwann der Tag kommen wird, dann werden unsere Nachfahren nicht mehr so leben wie bisher, denn dann, eines Morgens, wird das Meer sich rot färben wie Blut. Unsere Nachfahren sollen vorbereitet sein, aber nicht mit den Mitteln der Gewalt, sondern mit unseren Mitteln des Friedens und der Offenheit, der Liebe und unserem Glauben an das Göttliche in allem und jedem. Dass wir alle zusammen ein starkes mana haben, das die kommende unheilvolle und verwirrte Zeit überdauern wird. Das Wissen der Kahunas wird für lange Zeit zwar vergessen sein, aber nicht verloren. Es wird im Geheimen verborgen sein, bis seine Zeit wieder gekommen ist.
    Seid ohne Kummer, denn ich werde dafür sorgen, dass das Wissen erhalten bleibt, eben im wahrhaft Geheimen, werde es weitergeben an jeweils zwei Schüler. So soll es von nun an stets zwei Menschen geben, einen Mann und eine Frau, die das Wissen unseres alten Volkes bis in eine Zeit, wo das Wissen wieder gebraucht wird bewahren und weitergeben werden.
    Denn diese Zeit wird kommen, wo der Mensch sich nach etwas sehnt, das er lange vergessen hat und wir werden unseren Nachfahren dann helfen, sich daran zu erinnern. Sie werden sich danach sehnen, dass es noch etwas gibt, das sie noch nicht besitzen, etwas, das sie nicht
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