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Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Titel: Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl
Autoren: William R. Forstchen
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neben ihr an die Reling.
    »Klingt für mich nach einer glücklichen Erinnerung.«
    »Das war sie mal«, antwortete sie leise. Sie senkte den Kopf, damit er ihre Augen nicht erkennen konnte.
    »Möchten Sie darüber reden?«
    »Nicht mehr als Sie über John.«
    Kein Tadel schwang in ihrer Stimme mit, nur eine grenzenlose Traurigkeit.
    Lange Minuten standen sie schweigend nebeneinander und sahen zu, wie Lichter am Ufer vorbeiwanderten.
    »Wir waren verlobt«, sagte sie dann leise. »Er ist in der ersten Schlacht am Bull Run gefallen.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Ja, mir auch«, sagte sie gelassen. »Und so wurde ich Krankenschwester anstelle von Ehefrau, mein guter Colonel. Und wer war John?«
    »Mein jüngerer Bruder.« Und er wurde still, bis er ein einzelnes Wort hervorbrachte.
    »Gettysburg.«
    »Also tragen wir beide unser Leid aus diesem Krieg«, stellte sie beinahe flüsternd fest. »Weitere Brüder?«
    »Nein.«
    »Wenigstens erleben Sie dann diesen Schmerz nicht noch einmal. Und glauben Sie mir, Colonel, ich werde nie wieder den Schmerz ertragen müssen, jemanden zu verlieren, den ich liebe. So viel zumindest habe ich gelernt.«
    Sie blickte zu ihm hinauf, und im ersten schwachen Licht des Morgens entdeckte er die Härte in ihren Zügen.
    »Am besten gehe ich jetzt, Colonel. Auf mich warten Pflichten. Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen, Sir.«
    »Ich Ihnen auch«, antwortete Andrew leise und reichte ihr die Hand.
    Sie berührte sie kaum, als sie diese Geste erwiderte, nickte ihm spröde zu, wandte sich ab und kehrte zum Heck des Schiffes zurück.
    Andrew blieb allein zurück, an die Reling gelehnt, und verfolgte mit, wie sich das weiße Kielwasser ausbreitete, während das Schiff langsam flussabwärts fuhr und dabei vorsichtig einem Weg zwischen den Fahrrinnenbojen folgte.
    Der Regen wurde heftiger und stach Andrew wie mit Eisnadeln. Nachdem er sein ganzes Leben an der Küste von Maine verbracht hatte, spürte er, wie ihm das Wetter etwas ankündigte, und ein kaltes Gefühl sagte ihm, dass noch vor dem Abend ein ausgewachsener Sturm aus Süden heranziehen würde. Er konnte nur hoffen, dass ihr verdammter dickköpfiger Kapitän clever genug war, im Schutz von Norfolk zu ankern und das Ende des Sturms abzuwarten, Zeitplan hin, Zeitplan her.

Kapitel 2
     
    6. Januar 1865
    640 Kilometer südwestlich der Bermudas
     
    Andrew stellte fest, dass er zum ersten Mal seit drei Tagen nicht mehr seekrank war. Er stutzte einen Augenblick lang verwundert; war in ihm nichts mehr, was Übelkeit verursachen konnte, oder lag es am schlichten, absoluten Entsetzen über das, was geschah?
    Tobias hatte darauf bestanden, dass der zunehmende Sturm seinen Zeitplan nicht gefährden würde, und war aus dem Chesapeake in den Atlantik weitergefahren, obwohl die Windböen auf Geschwindigkeiten bis zu dreißig Knoten zulegten. Von da an war es einfach nur noch schlimmer geworden, und am Abend rasten sie vor einem südwestlichen Orkan von beinahe den Ausmaßen eines Hurrikans dahin. Die Kessel standen schon lange nicht mehr unter Dampf, und das Schiff lief jetzt auch ohne Segel vor dem Wind.
    Andrew klammerte sich unweit des Steuerruders an die Reling und sah zu, wie sich Tobias abmühte, sie über Wasser zu halten.
    »Da kommt die Nächste!«, drang der Ruf des Achterausgucks herüber.
    Mit großen Augen drehte sich Tobias um.
    »Barmherziger Gott!«, schrie er.
    Andrew folgte seinem Blick. Es schien, als stürzte sich ein Berg aus Wasser auf sie. Eine Woge, die das Deck um zehn Meter oder noch mehr überragte.
    »Zwei Grad Steuerbord!«, brüllte Tobias.
    Wie hypnotisiert sah Andrew sich an, wie der Berg auf sie einstürzte und das Heck in einem Furcht erregenden Winkel anstieg. Er blickte nach vorn und gewann den Eindruck, dass sich das Schiff nie wieder würde aufrichten können, dass es sich einfach wie ein Pfeil in den Meeresgrund rammen würde.
    Die Wasserwand krachte über ihnen zusammen, und Andrew klammerte sich verzweifelt an das Tau, mit dem er sich am Besanmast gesichert hatte. Das Schiff gierte heftig und drehte sich in den Wind. Als die Woge ihre Bahn übers Deck gezogen hatte, sah Andrew, dass beide Steuermänner von den Beinen gerissen worden waren; einer lag mit einer scheußlichen Spalte im Schädel bewusstlos da, und das Steuerruder drehte sich wie verrückt über ihnen.
    Tobias und mehrere weitere Seeleute sprangen ans Ruder und bemühten sich verzweifelt, das Schiff wieder zu wenden.
    »Hier kommt noch eine!«
    An
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