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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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der Straße schöneres Geschmeide. Lass uns lieber ein paar Muscheln hochholen. «
    »Ja, Muscheln sind hübscher als Bronzekrüge. Mädchen mögen Muscheln. Und daraus kann man auch Ketten machen. « Ben nickte und versuchte das Bild der geifernden Fratze aus seinen Gedanken zu vertreiben. Klein sollte dieser Münzmolch also gewesen sein. Dann müssten die großen ja die Ausmaße eines Drachen wie Aiphyron haben. Kein Wunder, dass sogar Piraten sie fürchteten. Auf jeden Fall hatte Yanko gesagt, Münzmolche verharrten in ihren Höhlen und warteten – er würde sie beim Muscheltauchen also nicht überraschen. Gut.
    Gemeinsam ließen sie sich wieder ins Wasser gleiten und suchten den sandigen Grund ab. Schon bald hatte Ben eine schöne, münzgroße, fächerförmige Muschel gefunden, die im Sonnenlicht tiefblau glänzte.
    »Meine ist größer«, sagte da Yanko und zeigte ihm eine schneckenförmige mit hellgrünen Spitzen, so dick wie eine Männerfaust.
    »Pah«, knurrte Ben herausgefordert und sprang zurück ins Meer. Da fand er sicher eine noch größere.

    Eine gute Stunde später waren sie sicher, dass sie den gesamten Grund in Reichweite abgesucht hatten, die Muscheln türmten sich hoch auf dem Sims. Und sie konnten sich nicht entscheiden, wer von ihnen die größere gefunden hatte. Bens Favorit war flach und beinahe rund, von schwarz-silbernen Ringen überzogen und groß wie ein Teller. Yanko hatte eine röhrenförmige, die grün-gelb-weiß gescheckt und lang wie ein Unterarm war. Länger als Bens Fund, aber schmaler. Nach einigem Hin und Her einigten sie sich auf Unentschieden, schließlich waren beide etwa gleich schwer. Dass beide Muscheln zu schwer und zu groß waren, um sie sich um den Hals zu hängen, spielte keine Rolle mehr. Die Mädchen würden sich dennoch freuen, am Strand der Bucht hatten sie sicher nichts Vergleichbares gefunden.
    »Trotzdem ist das nur ein Anfang«, sagte Yanko. »Weißt du, für Mädchen muss man richtige Heldentaten vollbringen. Besonders für so schöne wie unsere.«
    »Aber das haben wir«, protestierte Ben. »Wir haben sie beide gerettet. Erst Nica, dann Anula. Und wir haben Drachen befreit.«
    »Das ist schon lange her.«
    »Ein halbes Jahr, nicht viel länger.«
    »Für Frauen kann das eine Ewigkeit sein.«
    »Ach ja? Und wer sagt das? Yanko, der Kenner der tausend Frauen?«
    »Das weiß man eben.« Herablassend sah Yanko Ben an. »Meine Mutter hat meinem Vater stets vorgeworfen, dass früher alles besser gewesen sei, als er ihr noch regelmäßig Schmuck geschmiedet hat. Und er hat dann gebrummt, sie solle sich nicht beschweren, sie habe jetzt ja alles, Ringe und Ketten und Ohrringe und Armreifen, und er könne
sich jetzt doch wenigstens einmal einen gemütlichen Feierabend mit Freunden in der Wildsau leisten. Aber den alten Schmuck hat sie nicht gelten lassen, als würde er gammlig werden wie Käse oder Wurst, sie wollte neu beschenkt werden. Ich sage dir, Frauen kriegen nie genug.«
    »Hm.« Ben erinnerte sich nicht an seinen verschollenen Vater, aber seine Mutter hatte diesem auch Jahre nach seinem Verschwinden jedes Mal Vorwürfe gemacht, wenn sie getrunken hatte. Und getrunken hatte sie jeden Tag. Aber genau genommen hat sie jedem Vorwürfe gemacht – auch Ben und jedem in Trollfurt, den Göttern und eigentlich der ganzen Welt.
    »Doch, glaub mir. Gibst du ihnen eine Heldentat, dann wollen sie jeden Monat eine neue.«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte Ben, der Anula auf keinen Fall verlieren wollte. Was, wenn Yanko recht hatte? Diesen Monat hatte er noch nichts Heldenhaftes vollbracht. Anula war wunderschön, sie konnte jeden haben, aber Ben wollte nicht, dass sie jeden hatte. Er wollte, dass sie bei ihm blieb.
    »Na ja. Wir könnten einen Unschuldigen befreien, oder böse Monster oder schreckliche, menschenfressende Räuberhauptmänner töten. Oder auch legendäre Schätze finden. «
    Ben dachte an den geifernden Münzmolch und daran, dass versunkene Schätze von seinen Artgenossen bewacht wurden. Er dachte daran, dass er Nicas Vater im Kampf getötet hatte und ihn das in zu vielen Träumen verfolgt hatte. Eigentlich wollte er nicht wieder töten. Zumindest keinen Menschen. »Ich kenne keinen Räuberhauptmann.«
    »Ich auch nicht.« Yanko schnaubte und spuckte ins Meer.
    »Dann lass uns doch Jungfrauen befreien. Jungfrauen erretten ist die heldenhafteste aller Heldentaten.«
    »Und dann?«
    »Was dann?«
    »Was machen wir mit den Jungfrauen?« Yanko lachte kurz
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