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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme
Autoren: Boris Koch
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auf die Kronen verzichtet. Sein Herz schlug schnell, als er sich vorstellte, wie Anula auf ein solch prunkvolles Geschenk reagieren
würde. Staunen würde sie, lachen, ihn umarmen, küssen und … Er musste den Schatz einfach heben. Den schönsten Schmuck der Welt sollte sie bekommen.
    Er blickte zu ihr hinüber, beobachtete, wie sie gemeinsam mit Nica am Ufer kauerte und irgendetwas aus dem Meer fischte. Wahrscheinlich Muscheln. Ben lächelte. Ja, Muscheln waren auch ganz hübsch, aber nichts im Vergleich zu einem Piratenschatz. Gar nichts.
    »Kopfüber?«, fragte Yanko atemlos, der inzwischen neben ihm stand.
    Ben starrte in die Tiefe. Das waren mehr als zwölf Schritt, mussten einfach mehr sein, bestimmt fünfzehn oder sechzehn. Weiß kräuselten sich die Wellen. Langsam nickte er, die Wendung unter Wasser kostete einfach zu viel Zeit und Schwung, und sie brauchten am Grund noch genug Luft, um in die Höhle zu tauchen.
    »Dann auf drei.«
    Gemeinsam zählten sie und sprangen. Vor Aufregung vergaßen sie, sich zu drehen oder die Zehen zu spreizen. Mit ausgestreckten Händen versuchte Ben, das Wasser zu teilen, damit er mit dem Kopf nicht allzu hart auftraf, dann tauchte er sofort mit aller Kraft in die Tiefe. Das Wasser um ihn war aufgewühlt von ihren schlagenden Beinen und Armen, er sah nichts, das Meer brannte in seinen Augen, und dann berührte er endlich den Grund und wirbelte Sand auf. Sofort glitt er am Boden entlang zur Klippe, nur keine Zeit und Luft verschwenden. Hinter sich spürte er Yanko, der ihm folgte.
    Ben fand die Öffnung im Fels, zog sich hinein und stierte in die Dunkelheit vor sich. Das Wasser war hier ruhiger, doch kein Sonnenlicht drang zwischen die rauen, von verkrusteten Muscheln und Korallen überwucherten Wände,
an denen er sich entlanghangelte. Trotzdem sah er ein schwaches Leuchten vor sich – dort musste der Schatz liegen. Wahrscheinlich war eine der Truhen aufgebrochen und das Gold darin so rein, dass es von allein schimmerte; Blausilber tat dies schließlich auch. Ben spürte, wie ihm die Luft knapp wurde, doch das Schimmern war so nah, jetzt würde er nicht aufgeben. Das Schimmern schien von einer Münze auszugehen, die einfach so im Wasser schwebte, ganz nah der rechten Höhlenwand. Sie musste sich irgendwo verfangen haben, an einer dünnen Alge hängen oder an einer vorspringenden Koralle.
    Noch zwei Züge.
    Noch einen.
    Ben streckte die Hand aus. Die leuchtende Münze schwebte direkt neben einer dunklen Abzweigung von der Haupthöhle, gleich über einem Haufen bleicher Knochen, die halb vom Sand bedeckt waren. Dabei handelte es sich um große Knochen, keine kleinen Fischgräten. Noch bevor ihm recht bewusst wurde, was dort lag, packte ihn etwas am rechten Knöchel und zerrte ihn blitzschnell zurück. Ben wurde hin und her gewirbelt und traf mit der ausgestreckten Hand gegen den Fels, sodass ihm bohrender Schmerz in den Unterarm fuhr.
    Yanko, knurrte er innerlich. Dieser vermaledeite Giergeier wollte unbedingt schneller beim Schatz sein als er. Doch das würde er nicht zulassen, er …
    In diesem Moment schoss eine schuppige Fratze mit einem kopfgroßen, aufgerissenen Maul, in dem gewaltige spitze Zähne prangten, aus der dunklen Abzweigung und schnappte zu, nur eine Handbreit vor Bens Nase. Hervorquellende, perlmuttfarbene Augen stierten ihn kalt an.

    Voller Panik schrie Ben los, was unter Wasser nur ein hilfloses Blubbern zur Folge hatte, schlug und trat um sich und kratzte der widerlichen Fratze über das rechte Auge, das sich glatt und kühl anfühlte, aber auch hart wie geschliffener Marmor. Hinter der Fratze schloss sich ein kurzer Hals an und daran ein salamanderartiger Körper mit verkümmerten, flossenartigen Vorderfüßen. Die Kreatur schlängelte zurück in ihren Abgrund, dann bleckte sie wieder die Zähne.
    So schnell er konnte, zog sich Ben an den engen Felswänden Richtung Höhlenausgang, den Blick stur auf das lauernde Unwesen gerichtet. Dessen Augen schimmerten im Schein der schwebenden Münze, die Kiemen pumpten, doch es startete keinen weiteren Angriff.
    Als er endlich den Ausgang der Höhle erreichte, war ihm vor Luftmangel so schwindlig, dass er sich kaum orientieren konnte. Seine Arme und Beine waren schwer und schwach. Doch Yanko hatte dort auf ihn gewartet, er packte ihn unter der Achsel und zerrte ihn mit nach oben. Zumindest hoffte Ben, dass Yanko noch wusste, wo oben war. Er selbst war sich nicht sicher, ließ sich einfach leiten.
    Prustend tauchten
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