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Das vergessene Zepter

Das vergessene Zepter

Titel: Das vergessene Zepter
Autoren: Tobias O. Meißner
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wähnte sich tatsächlich als lebendiges Zentrum des Kontinents, als Sammelstelle und Ausgangspunkt aller nachhaltigen Entscheidungen und Informationen. Sie konnte gar nicht mehr verstehen, daß die wirklich bedeutsamen Bahnen des Daseins außerhalb dieses Palastes verliefen, vielleicht sogar außerhalb dieses Kontinents. Sie glaubte tatsächlich – und in aller Unschuld –, daß es militärische Lösungen gab für Fragen, die jenseits aller Zeiten standen.
    Kurz rechnete er durch, was sie ihm alles vorwerfen würde, wenn er ihr seine Theorie mitteilte. Die unverfrorenste Form der Gotteslästerung, von der ich je gehört habe. Du mußt verrückt geworden sein, Akamas, verrückt! Dann sagte er: »Darf ich Euch zunächst fragen, was aus dem Magier Galin von Asteria geworden ist, der allein ins Land der Affenmenschen eingedrungen ist?«
    Â»Wir sind seit einem Mond ohne Nachricht von ihm. Noch bezeichnen wir ihn nicht als verschollen, aber wir müssen uns wohl langsam an den Gedanken gewöhnen, daß ihm etwas zugestoßen ist.«
    Â»Das paßt zu meiner Vermutung. Ich möchte es kurz machen, meine Königin. Ihr werdet mir ohnehin keinen Glauben schenken, deshalb übergebe ich Euch noch die Niederschrift und hoffe, durch weitere Nachforschungen echte Beweise erbringen zu können. Die vier Bücher der Prophezeiungen wurden verfaßt, um den Menschen den Ratschluß der Götter zu ersetzen, welche uns seit Jahrhunderten verlassen haben. Im Umkehrschluß bedeutet das aber auch, daß die Prophezeiungen das Wissen der Götter widerspiegeln, also folgerichtig auch die Handlungen und Strategien der Götter.
    Ich bin in Diamandan auf Texte gestoßen, die besagen, daß der Geisterfürst, der vor rund siebenhundert Jahren eine vierzigjährige Schreckensherrschaft in den Sonnenfeldern aufrechterhielt, bis König Rinwe ihn besiegte und erschlug, niemals ein Heer besessen hat, wie die königliche Geschichtsschreibung uns weismachen möchte, sondern lediglich eine Leibgarde, die aus neun übermächtigen Gestalten bestand, sieben Männern und zwei Frauen. Der Geisterfürst wurde von Rinwe persönlich getötet, der größte Teil seiner Leibwache und die Tausende von sonnenfelder Menschen, die dem Geisterfürsten dienten, von Rinwes Armee niedergeworfen und ausgemerzt. Drei aus des Geisterfürsten Eliteeinheit jedoch sollen damals entkommen sein, ein Mann, eine Frau und ein Knabe.
    Ich glaube, daß diese drei damals, von Rinwes Rittern verfolgt, nordwärts flohen, bis sie erst hinter der Felsenwüste in Sicherheit gelangten, wo sie seit siebenhundert Jahren leben. Die wenigen, die überdauert haben. Gleichzeitig handelt es sich bei diesen drei Wesen um diejenigen, die Euren Feldzug am Skorpionshügel auf magische Art und Weise wider sich selbst gekehrt haben und die wahrscheinlich auch Galin von Asteria entweder um- oder in ihre Gewalt bringen konnten.
    Ich glaube weiterhin, daß es sich bei diesen dreien nicht einfach nur um Ungeheuer oder düstere Wunderkrieger handelt, sondern um Götter. Das Reich des Geisterfürsten – aufrechterhalten von insgesamt acht Männern und zwei Frauen, was den göttlichen Zuordnungen der Zehnzahl exakt entspricht – war das letzte Reich der Götter auf Erden. Kein Reich des Schreckens, sondern eines der vollkommenen Unbegreiflichkeit. Die Götter haben sich nicht langsam im Laufe von Jahrhunderten mehr und mehr von uns zurückgezogen, wie alle glauben, sondern sie wurden von König Rinwe erschlagen und beinahe ausgerottet, kurz vor Beginn unserer Zeitrechnung.«
    Die Königin war ganz bleich geworden, lächelte aber dennoch ein maskenhaftes Lächeln. »Das ist wirklich noch viel, viel … waghalsiger, als ich von dir erwartet hatte. Du beleidigst nicht nur die Götter, sondern auch die Krone und das Gedenken an ihren edelsten Träger. Derartige Äußerungen können dich vor Gerichtsbarkeiten bringen, vor Tempelgerichte und das meinige.« Die Leibwächter traten halb aus ihren Nischen. Sprungbereite Statuen, die tatsächlich jedes Wort mithörten, jede Nuance in der Stimme ihrer Königin zu interpretieren wußten.
    Â»Das ist mir klar, meine Königin«, fuhr Akamas unbeirrt fort, »aber ich bin ein Mönch der Vier Gründe. Ich bin den ursprünglichen vier Elementen verpflichtet, nicht der Zehnzahl, die die
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