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Das verbotene Land 3 - Drachenbruder

Das verbotene Land 3 - Drachenbruder

Titel: Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Autoren: Margaret Weis
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dieses Risiko eingehen, nur um nach Hause zurückzukehren.
    Er konnte dieses Verlangen kaum erklären, aber ihm kam die Erinnerung an eine andere Zeit, in der er monatelang von zu Hause fort gewesen war. Damals hatte er im Wahnsinn festgesessen, aus dem Drakonas ihn errettet hatte. Als der kleine Markus die Türme von seines Vaters Schloss im Sonnenlicht gesehen hatte, war ihm vor Heimweh das Herz übergegangen, und die Türme waren in seinen Tränen versunken. Jetzt erinnerte sich Markus als Mann an damals und wollte jene sonnenbeschienenen Türme wiedersehen.
    »Achtung!«, rief Evelina.
    Markus fuhr herum und sah, dass er gefährlich nah an ein Dickicht aus Gras und toten Ästen heransteuerte. Mit einem kräftigen Ruderschlag brachte er sie gerade noch aus der Gefahrenzone.
    »Du bist so furchtbar müde«, stellte Evelina fest. Sie streckte eine Hand nach ihm aus, wobei sie sich noch etwas weiter nach vorne lehnte. Ihr Hemd verrutschte ein wenig und enthüllte verführerische Kurven und Schatten. »Flussabwärts müsstest du nicht einmal rudern. Die Strömung würde uns tragen.«
    »Ich habe es dir doch vorhin schon gesagt, Evelina«, sagte Markus. Seine Stimme klang freundlich, ließ aber keinen Widerspruch zu. »Ich muss nach Hause.«
    Evelina saß Markus gegenüber und schmollte. Sie war es gewohnt, ihren Willen durchzusetzen.
    »Wenigstens hast du ein Zuhause«, gab sie zurück, während sie sich aufrichtete. Beim Vorbeugen hatte sie ihm eben einen berückenden Blick auf ihre Brüste gewährt, aber auch das war vergeblich gewesen. Er hatte sie kaum angesehen. Deshalb wollte sie ihn bestrafen. »Dein Bruder hat mir mein Zuhause genommen.«
    Dieser Stich sollte bei Markus Schuldgefühle hervorrufen, ging aber daneben. Als Evelina seinen Bruder erwähnte, wanderte sein Blick von ihrem Gesicht zu ihren blutbespritzten Kleidern. Seine Augen verdüsterten sich. Er presste die Lippen zusammen. Dann blickte er auf die Bäume und ruderte weiter.
    Evelinas Wangen glühten. Das also war es. Das Blut stammte von Nem, dem Halbbruder des Prinzen, einem Monster. Und sie war diejenige gewesen, die dieses Blut vergossen hatte. Bei ihrer letzten Begegnung hatte Nem im Sterben gelegen. Das hoffte sie jedenfalls. Sie hatte ihnen beiden das Leben gerettet, wie Markus gesagt hatte. Er war ihr dankbar gewesen. Aber nun wollte er sie nicht mehr ansehen.
    »Was ist los, Markus?«, wollte Evelina wissen. Sie zupfte an ihrem blutigen Mieder, um es so zurechtzuziehen, dass man die rotbraunen Spritzer nicht mehr sah, doch ihre Mühe war vergeblich. »Warum schaust du mich so an?«
    Markus wurde rot. »Wie denn?« Er versuchte, unschuldig zu klingen, doch das misslang gründlich.
    »Als wäre ich etwas Hässliches, Abstoßendes, das du am liebsten zertreten würdest. Du hast gesagt, du hättest verstanden, warum ich deinen Bruder, das Ungeheuer, erstochen habe. Aber jetzt hasst du mich!«
    Diesmal waren Evelinas Tränen nicht vorgetäuscht – oder höchstens teilweise. Sie vergrub den Kopf in den Armen und schluchzte los. Nur einmal hob sie das Gesicht und klagte: »Dein Bruder wollte mich vergewaltigen. Er hat es zugegeben! Und er hat meinen Vater umgebracht!« Dann überließ sie sich wohltuender Hysterie. Die hatte sie sich verdient, fand das Mädchen.
    Während sie weinte, wartete Evelina zuversichtlich darauf, dass Markus aufhören würde zu rudern. Gleich würde er sie in den Arm nehmen und trösten. Doch das tat er nicht. Er ruderte weiter. Zugegebenermaßen flohen sie vor verrückten Mönchen und vor einem Drachen, aber dennoch fühlte Evelina sich betrogen. Jeder andere Mann – jeder wahre Mann – hätte alle Vorsicht fahren lassen, um sie zu trösten und zu kosen und dabei vielleicht einen Kuss zu ergattern oder seine Hand in ihr Hemd zu schieben.
    Markus ruderte einfach vor sich hin.
    Nun wusste Evelina nicht mehr weiter. Die Hysterie ebbte ab. Bald würde sie unglaubwürdig erscheinen. Der Prinz wollte ihr offensichtlich nicht beistehen, also musste sie sich zusammenreißen. Ihr Schluchzen wurde leiser. Sie wagte einen verstohlenen Blick unter tränennassen Armen heraus, um zu sehen, wie er reagierte.
    Der Prinz ruderte stetig, doch seine Augen ruhten auf ihr. Er wirkte verlegen. Vielleicht war er einfach schüchtern, weil er sich mit Frauen nicht auskannte.
    Ich frage mich, wie lange wir bis in seine Heimat brauchen. Vielleicht Tage. Mehrere Tage und Nächte.
    Nächte. Allein. Zusammen. Evelinas Herz schlug schneller, und
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