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Das verbotene Land 3 - Drachenbruder

Das verbotene Land 3 - Drachenbruder

Titel: Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Autoren: Margaret Weis
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bemerkte er einen Blutfaden, der sich durchs Wasser schlängelte und mit der Strömung verschwand. Die Stichwunde hatte sich wieder geöffnet.
    Evelina hatte übereilt zugestochen. Das Messer war vom Knochen abgeglitten und hatte keine Organe verletzt. Aber Nem hatte viel Blut verloren und noch mehr, als er Drachenburg heimlich verlassen hatte, um der Frau, die ihn aufgezogen und auf ihre ganz persönliche Weise geliebt hatte, die letzte Ehre zu erweisen. Sein Drachenblut hatte sofort die Heilung eingeleitet. Die Wunde hatte sich bereits teilweise geschlossen. Doch die Anstrengung, als er Bellonas Leichnam zum Fluss getragen, in ein Boot gelegt und das Boot aufs Wasser gezogen hatte, hatte die Wunde erneut aufbrechen lassen. Nun war Bellonas Seele frei, sich zur Liebe ihres Lebens zu gesellen, zu Melisande, der Mutter von Nem.
    Durch die Kälte des Wassers hatte er bisher nicht bemerkt, dass ihn seine Drachenmagie diesmal nicht so rasch heilte wie sonst. Vielleicht nahm die magische Kraft in ihm ab, wenn er schwächer wurde. Er musste schnell nach Drachenburg zurückkehren, ehe er zusammenbrach. Man durfte ihn auf keinen Fall außerhalb der Stadtmauern finden.
    Als er aus dem Wasser auf das schlüpfrige Ufer stieg, suchte er mit den Klauen Halt im Schlamm. Dabei fielen ihm die Fußspuren auf. Zwei verschiedene Spuren, beide frisch, die eine klein und zierlich, die andere von Männerstiefeln. Er hatte keine Zeit, die Abdrücke genauer zu untersuchen – mit jedem Moment, den er ausblieb, konnte sein Fehlen auffallen. Aber sein Fährtenleserblick folgte ihnen dennoch unwillkürlich. Er versuchte zu erraten, wohin die beiden verschwunden waren, für die er sein Leben riskiert hatte, sein Halbbruder Markus und Evelina, das Mädchen, das versucht hatte, ihn zu erstechen.
    Markus war mehrmals zwischen Böschung und Wasser hin und her gelaufen. Dabei hatte er schwere Gegenstände mit sich gezerrt. Nem fielen die Boote ein, welche die Mönche am Ufer lagerten. Jetzt waren keine mehr zu sehen. Darum malte er sich aus, wie Markus die Boote eins nach dem anderen heruntergeschleppt und in den Fluss gestoßen hatte, damit sie flussabwärts trieben. Eines hatte er sicher für sich und Evelina behalten.
    Nem schaute zurück auf den Strom, der in der hellen Mittagssonne glitzerte. Er konnte sich die beiden genau vorstellen. Markus würde rudern, weil er Verfolger fürchtete. Evelina würde im Bug sitzen und ihn anhimmeln.
    Nem hatte gesehen, wie die Liebe in Evelinas blauen Augen aufleuchtete, als sie Markus erstmals zu Gesicht bekam. Nun, vielleicht war es gar nicht das Leuchten der Liebe. Wer Evelina kannte, schloss eher auf den Glanz von Prinz Markus' goldener Krone.
    Um die Blutung zu stillen, drückte Nem eine Hand auf die Wunde.
    Deshalb hat sie zugestochen, begriff er. Sie hatte Angst, ich könnte Markus die Wahrheit über sie erzählen. Dass sie keineswegs das arme, misshandelte Opfer meiner brutalen Annäherungsversuche war. Dass sie mich gezielt verführt hat, um mir eine Falle zu stellen. Und dass sie mich an den Wanderzirkus verscherbelt hat, damit alle Welt mich begaffen kann.
    Evelina hält mich für tot. Dafür habe ich gesorgt. Jetzt wirft sie sich in Positur, denn sie wiegt sich in Sicherheit. Endlich kann sie Markus in ihr Netz locken, ihn mit seidenen Lügen umgarnen und mit dem Gift ihrer Lippen betäuben. Sie wird ihn lähmen, bis sie ihn aussaugen kann.
    Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
    Er fragte sich, ob Markus ihr wohl erzählt hatte, dass er seinen Bruder getroffen hatte. Ob sie wusste, dass Nem am Leben war?
    An Markus' Stelle hätte Nem ihr nichts verraten. Er bezweifelte auch, dass Markus dies tun würde. Beide Brüder hatten schon früh gelernt, Geheimnisse zu hüten. Die Wahrheit war gefährlich. Sie konnte zur Katastrophe führen und einen selbst und alle, die man liebte, in Lebensgefahr bringen. Markus vertraute nur langsam. Er würde seine Gedanken nur sehr zurückhaltend äußern, denn er war von Natur aus vorsichtig.
    Außerdem würde er extrem verwirrt sein. Unwillkürlich grinste Nem. Das geschah seinem Bruder recht. So bereitwillig hatte dieser Evelinas Anschuldigung geglaubt, dass Nem ein böses, mordlustiges Ungeheuer sei. Markus musste ziemlich gestaunt haben, als das mörderische Ungeheuer ihnen das Leben rettete.
    Ich könnte Markus meine Version der Geschichte schildern, überlegte Nem, während er flussaufwärts blickte. Vielleicht würde er mir sogar glauben.
    Darüber sann er nach,
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